Maigret hilft einem Dienstmädchen

Maigret hilft einem Dienstmädchen


Eine Frau kommt ums Eck und hinter ihr stolpert ein Mann, vollgepackt mit Einkäufen, ins Bild. Das Pärchen muss an Mitarbeitern von Maigret vorbei, die vor sich hin feixen, in was für eine Situation sich ihr Chef gebracht hat. Denn die Frau, deren Einkäufe er trägt, ist nicht mal seine eigene – er versucht herauszufinden, was Félicie weiß. Schwierig, denn Félicie mag Maigret überhaupt nicht und wittert überall eine Falle.

Kurz zur Erinnerung: Der Arbeitgeber von Félicie ist ermordet worden. Sein Dienstmädchen fand ihn tot in seinem Zimmer und war fortan offenbar mehr damit beschäftigt, Maigret davon abzuhalten, sie ein Dienstmädchen und den Ermordeten als Arbeitgeber zu bezeichnen, denn hilfreich bei der Ermittlung zu sein. Die ganzen Ermittlungen schienen sie zu stören.

Komik auf Teufel komm raus

​Wie immer ist die Verfilmung mit Rupert Davies viel witziger, als die Vorlage es ist. Die eingangs geschilderte Szene ist so eine, die im Buch überhaupt nicht vorkommt und völlig untypisch für einen Kommissar vom Format eines Maigret wäre. Der Buch-Maigret würde sich wohl auch nicht auslachen lassen. Mit den überzeichneten Szenen geht es dann auch gleich weiter: Jules Lapie war kaum unter die Erde gebracht worden, da ging es gleich um das Testament. Der Bruder des Ermordeten kann sich nicht vorstellen, dass jemand anders als er das Vermögen von Lapie erbt, tut das auch kund und seine Frau sekundiert ihm. Maigret liest das Testament vor und eröffnet damit, dass sich der Verstorbene entschieden hatte, Félicie als Haupterbin einzusetzen – daraufhin folgte eine Keiferei, die man nicht ernst nehmen kann.

Während dessen schleicht sich die Erbin davon und entgeht der Observation von Lucas. Im Buch versteckt sie sich im Auto eines örtlichen Handwerkers und lässt sich nach Paris chauffierten. Die Idee wird in dem Film ebenfalls in der Art umgesetzt, nur dass Lucas der Frau auf einem Moped hinterher düst. Mir scheint die Buch-Variante wesentlich vernünftiger: Da gibt man der Polizei von Paris Bescheid, die dann die Einfallstraßen überwachen, so den Wagen aufspüren und die Verfolgung aufnehmen können.

Sieht man sich die Folge an, denkt man sich: »Ach ja, das ist amüsant!« Ich lese dann das Buch im Anschluss nochmal und denke mir dann an der Stelle: »Ist ja viel logischer, wie sich das im Buch geschildert wird.«


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Da sinkt er hin!

Der Neffe des Verstorbenen gerät immer mehr ins Visier der Ermittlungen und wird durch die Verfolgung Janviers mürbe gemacht.

Im Buch: Als der Neffe »reif« ist, stößt Maigret dazu. Er »gabelt« den jungen Mann an seinem Arbeitsplatz, einer Bar, auf – mit dem Verhör lässt er sich aber Zeit. Er beschwichtigt den jungen Mann, macht mit ihm einen Spaziergang in ein anderes Lokal. Der Neffe will sich immer noch offenbaren, aber Maigret wiegelt ab, lässt sich Zeit. Wiederum verlassen sie das Lokal und dann fällt ein Schuss, woraufhin der junge Mann sich an die Brust greift und stürzt.

In der Verfilmung: Hier wird das Ganze ein wenig abgekürzt, was ich prinzipiell legitim finde. Man sieht die Bühne, von der der Neffe auf Maigret zukommt und sich erleichtern will. Dazu kommt es jedoch nicht, weil jemand eine Pistole durch den Vorhang schiebt und abdrückt. Abgesehen davon, dass das Zielen auf diese Art und Weise recht schwierig sein dürfte, wird damit eine Motivation zur Lösung des Falles im weiteren Verlauf des Falles aus dem Spiel genommen – die Schuldgefühle von Maigret. Denn das normale Vorgehen wäre wohl gewesen, den Verdächtigen mit zur Dienststelle zu nehmen und ihn dort zu verhören. Statt dessen schleppt ihn der Kommissar durch die Gegend, was den Überfall erst möglich gemacht hat. Etwas Zweites geht mit der Verkürzung verloren: Der Zuschauer kann nicht einmal erahnen, mit was für einem Kaliber von Verbrecher Maigret es hier zu tun hat.

Im Film stattdessen versucht Maigret noch von dem Verletzten etwas herauszubekommen, der mit recht klarer Stimme meint, dass er etwas über den »Fiedler« erzählen wollte. Dann sackt der arme Mann wie tot in sich zusammen. Maigret geht zum Telefon und teilt Lucas, der am Quai ist, mit, dass jemand angeschossen wurde und es wohl der Fiedler gewesen wäre. Warum verriet Maigret an der Stelle seinem Inspektor eigentlich nicht, wer angeschossen wurde? Und wer ist der Fiedler, der vorher nie erwähnt worden ist. Darüber lässt man uns im Unklaren – nicht sehr fein.

Recht elegant hat man indes eine Verkürzung für die Geschichte um die Tatwaffe gefunden, die Félicie bei ihrem Paris-Ausflug am Anfang hat verschwinden lassen: In der Metro steckte sie einem anderen Fahrgast in die Manteltasche. Während im Buch dieser Mann und das Dienstmädchen sich gegenseitigen wiedererkennen und sie ihm durch ein Briefchen eine Geschichte zukommen lässt, die ihrem Hang für Dramatik angemessen ist; der Kommissar aber erst einmal ermitteln muss, wer und was da im Restaurant genau passiert sein könnte – erkennen sich in der Verfilmung der Mann und Dienstmädchen durch ein Fenster, woraufhin das Dienstmädchen anfängt Maigret eine Szene zu machen und Hals über Kopf das Restaurant verlässt und Maigret mit seinen Austern sitzen lässt. Der ist recht perplex, bekommt seine Informationen dafür von dem Mann, der von außen Félicie erkannt hatte und die Szene beobachtet hatte. Maigret erfuhr so, wann und wo Félicie die Waffe entsorgt hatte.

Fazit

Schon beim Sehen störten mich einige Abkürzungen, die genommen wurde; fand ich einige Szenen ein wenig zu albern und das stete Lamentieren von Félicie, dass Maigret gemein wäre, ging mir auch auf den Senkel – die oft (gespielte) Antipathie hätte man auch anders transportieren können. Liest man dann das Buch, kommen noch einige Details hinzu. Beispielsweise wurde Félicie weniger paradiesvogelhaft dargestellt, als es im Buch geschildert wird (vielleicht aber auch ein Nachteil von Schwarz-Weiß-Verfilmungen) und das Haus, als Neubau in der literarischen Vorlage geschildert, wirkt doch ältlich und muffig.

Sollte das jemanden abhalten, die Folge sich anzuschauen? Um Gottes Willen! Man kann durch diesen Maigret trotzdem gut unterhalten werden.