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Maigret und die Zwillinge
Wie der Zufall es will, habe ich am Wochenende erst festgelegt, dass der Vorname von Torrence wohl »Joseph« sein muss. Nicht, dass er mir in den Maigret-Romanen bisher (bewusst) untergekommen wäre, aber in die Agence O-Geschichten wird der Name genannt. Dann kommt Rupert Davies als Maigret und spricht pathetisch über »Hector«.
Der literarischen Vorlage kann man das nicht entnehmen. Dort ist es schlicht »Torrence«. Als Maigret ihn ermordet in dem Hotelzimmer auffindet, ist er gar nicht so rührselig wie in dieser Verfilmung. Wut überkam ihn, Trauer und auch Ungläubigkeit, dass das passiert sein konnte. Im Buch ist außerdem niemand an der Seite von Maigret, für den sich ein solcher Auftritt gelohnt hätte – in der Fernsehfolge ist sein getreuer Lucas bei ihm.
Ich halte den ersten Maigret, Original-Titel »Pietr le Letton«, nicht für ein Meisterwerk. Es ist der Beginn und deshalb finde ich ihn sehr interessant. Meine Erwartungshaltung an diese Verfilmung war deshalb auch nicht besonders hoch. Mein Interesse war nur geweckt, weil in der letzten Rupert-Davies-Verfilmung, die ich gesehen hatte, ein Bezug auf diese Folge hergestellt wurde. Mir war nicht bewusst, dass es solche Übergänge gegeben hatte, da ich die Folgen wild durcheinander mir anschaue – ein wenig nach Lust und Laune und natürlich auch gern dann, wenn das Buch gerade am Wickel habe.
So war ich von der Folge positiv überrascht. Sie war flott inszeniert und ich habe nicht das Gefühl gehabt, über irgendwelche Logik-Fehler zu stolpern. Die Kürze hat der Adaption wirklich gutgetan. Ich will mich deshalb nicht weiter damit aufhalten, dass die Schuss-Szenen mal wieder reichlich albern erscheinen, wenn man sie mit den heutigen Inszenierungen in Serien ähnlicher Machart vergleicht. Man könnte einwenden, dass ein Hotel wie das «Majestic« sicher eine größere Vorhalle hat, als die im Film dargestellt, und auch mehr als vier Stockwerke (zumal im Buch zu lesen ist, dass Maigret hört, wie sich ein Gast im Stockwerk über ihm die Schuhe auszog.) Auch lasse ich mich nicht länger darüber aus, dass ich finde, dass der Titel der deutschen Synchronisation ein Teil des Puzzles verrät – ja, Zwillinge! – und möchte nur kurz meine Verwunderung darüber äußern, dass der eine der Brüder des Zwillingspaares den charmanten Namen »Pierre« in der deutschen Version bekommen hatte, der andere wurde »Hans« genannt. Welche Eltern würden das einem Kind antun?
Schon im Buch hat mich gewundert, wie lange der angeschossene Maigret ermitteln würde. Wir alle wissen, dass Männer wehleidig sind. Wie oft liest man in den Maigrets, dass der gute Kommissar erkältet ist (oder eine Erkältung naht oder gerade überstanden worden war) und er in der Zeit von seiner Frau gepflegt wird. Wie oft ist Madame Maigret krank und wie oft wurde sie von ihrem Mann gepflegt? Da ist Suchen angesagt, wenn einem nicht sofort »Maigret in den Ferien« einfällt. Ausgerechnet dieser typische Mann schleppt sich mit einer Verletzung durch Paris, fährt mit dieser an die Kanalküste und wieder zurück nach Paris … um dann nach Hause zu gehen und von seiner Frau pflegen zu lassen. Das war im Buch schon nicht glaubwürdig und wird durch Rupert Davies nicht besser.
Fécamp
Ich fand Fécamp immer reizend und einen angenehmen Ort. Spielt auch in dem einen oder anderen Roman eine Rolle, und wenn nicht Fécamp, dann ist es ein Ort in der Nähe. Warum nur hat man einen Teil der Handlung von Fécamp in das in der Nachbarschaft von Boulogne-sur-Mer liegende Le Portel gelegt? Vielleicht weil die Wahrscheinlichkeit damals größer war, dass die Engländer es kennen könnten – schließlich ist Calais auch nicht weit entfernt.
Vermutlich, weil es egal war. Schließlich war scheußliches Wetter und die Handlung spielt im Winter. Da ist nicht auszuschließen, dass Fécamp genauso reizlos ist wie Le Portel.
Eine Bar, zwei Orte
Obwohl ich schon so manches mal in Frankreich gewesen war, sind mir bestimmte Getränke immer noch fremd. Als in der Folge ein Werbeplakat für »Byrrh« sah, was einen er an ein Geräusch der Abscheu erinnert, denn an etwas Genießbares, war ich neugierig und wollte wissen, ob es das nicht doch gibt oder ob es sich um einen Streich der Engländer handeln, um die Zuschauer und insbesondere französische auf den Arm zu nehmen.
Dieses Getränk gibt es wirklich. Es handelt sich um einen Aperitif, der sehr gern von den Franzosen genossen wird. Er basiert auf Rotwein und es werden eine ganze Reihe von heimischen und exotischen Gewürzen dazugegeben und mit Auszügen aus der Chinarinde aromatisiert. Erfunden wurde die Spirituose von der Familie Violet in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Name des Getränkes soll aus einem in der Bekleidungsindustrie gängigen Code-System abgeleitet worden sein. Eine Bedeutung hat der Name nicht, vielleicht hatten die beiden namensgebenden Brüder auch ein wenig zu viel von dem Zeug intus, als sie diesen Namen beschlossen.
Beim nächsten Frankreichbesuch halten wir alle mal Ausschau nach Byrrh, welches auch gern als Zutat für Cocktails verwendet wird, und dann wird probiert.
Lustig ist, dass es gar nicht getrunken wird. Lucas kam in eine Kneipe in Le Portel und bestellte dort einen Calvados. Es war ein wenig Zufall, dass er dort den Mann traf, den er verfolgt hatte und der machte sich gleich vom Acker. Im Hinausgehen sieht man ein Werbeplakat für dieses Getränk (und man möge die unscharfe Aufnahme von Lucas entschuldigen).
Die Szene mit Lucas spielte sich im ersten Drittel ab. Im zweiten Drittel sieht man Maigret, der einen der Zwillinge verfolgt, eine Bar betreten. Mir fiel auf, dass zum einen ein Zapfhahn mit der Beschriftung »Byrrh« existierte – weshalb ich, zu dem Zeitpunkt noch uninformiert, vermutete, dass es ein Bier wäre. Zum anderen fiel mir im Hintergrund die Tür auf, die mit einer wellenartigen Verzierung daherkam und der Beschriftung »Bar«. Das hatte ich doch schon mal gesehen? Genau, das war die gleiche Aufmachung, wie in der Bar in Le Portel.
Deutlicher wurde das noch, als die beiden die Bar verließen und dann das Werbeplakat für den Aperitif sichtbar wird.
Das Problem mit dieser Bar war, dass Maigret nicht in Le Portel war – er war in Paris. Eine Bar mit der gleichen Einrichtung an zwei unterschiedlichen Orten halte ich nicht für sehr wahrscheinlich.
Dieses kleine Ausstattungsproblem amüsiert jedoch mehr und schadet nicht dem guten Gesamteindruck, den diese Folge hinterlassen hat.