Nur eine Nebenrolle


Durchaus faszinierend, dass zwei Hauptzutaten der Roman-Vorlage, die entscheidend für das Flair sind, in dieser Verfilmung von »Mein Freund Maigret« überhaupt keine Rolle spielen: Porquerolles und Mr. Pyke. Wer gerade das Buch gelesen hat, der fällt schier in Ohnmacht, wenn er diese Bearbeitung sieht – wirklich ein Jammer.

Viele Folgen der Rupert-Davies-Reihe fand ich vergnüglich, auch wenn sie sie nicht originalgetreu sind und mit dem Maigret-Stoff sehr frei umgehen. In dieser Episode war es so, dass ich jede Unterscheidung nicht als Interpretation, sondern als Fehler sah. Den Grund dafür habe ich schon in der Einleitung genannt. Ich will es ein wenig auseinandertüteln …

Inspektor Pyke

Da ist man anderswo zu Besuch und verspricht dieses und jenes. Der Polizeipräsident von Paris hatte den Oberbürgermeister von London besucht und bei der Gelegenheit auch Scotland Yard besichtigt. Dort wurde erwähnt, dass man sich für die Methoden von Maigret interessieren würde, was der Pariser Polizeichef für eine Einladung nach Paris nutzte und siehe da: Inspektor Pyke begab sich in die Seine-Metropole, um die Methoden des berühmten Kommissars zu studieren.

Oder halt auch nicht, wenn man die TV-Variante betrachtet. Damit fehlt aber definitiv etwas, denn in der Vorlage geht es darum, dass Maigret keine Methode hat, die er zeigen kann und anfangs auch keinen Fall, den er hätte lösen können. Pyke war schließlich nicht gekommen, um die französische Küche und die Trinkgewohnheiten kennenzulernen. Bei dem perfekten Französisch, das er im Buch sprach, war er mit den Sitten und Gebräuchen bestens vertraut.

In der von Simenon aufgeschriebenen Geschichte geht es nicht nur um das Lösen des Falles. Interessant wird es auch deshalb, weil Maigret das Gefühl hat, dass seine Arbeit ständig bewertet wird. Pyke war ein Typ, der nicht die Mine verzog. Weshalb ich auch von einem Gefühl sprach, denn was er dachte, wusste man nicht. Auf der Insel trieben sich eine Reihe von Engländern herum – das war Pyke anfangs unangenehm. Aber schon bald »trieb« er sich mit ihnen rum und unterstützte so die Ermittlungen.

Das hätte man in der Verfilmung auch haben können. Aber aus mir unerfindlichen Gründen wurde der Inspektor, der die zweite Hauptfigur darstellt, komplett gestrichen.

Porquerolles

Wieder ein kleiner Blick in die Romanvorlage: Maigret kommt in Hyères an, wird mit einem Boot zur Insel geschippert, spaziert über diese, schaut den Leuten zu, wie sie Boule spielen, begibt sich zum Hafen, besucht die Involvierten auf ihren Booten.

Ich war schon mal vor Jahren auf der Insel gewesen und habe keine besonders genaue Erinnerung daran. Was ich jedoch beschwören kann, ist, dass die Szene, in der man Anna auf einem Boot sieht, überall im Mittelmeerraum spielen kann – nur auf Porquerolles wird es nicht gewesen sein. Produzenten müssen auf die Kosten schauen, das ist mir klar. Irgendwas zu nehmen, kann jedoch nicht die Lösung sein.

Zahlreich sind die Außenaufnahmen in der Episode sowieso nicht und die, die man sieht, erscheinen beliebig. Die meisten Aufnahmen waren Studio-Aufnahmen, sodass es fast ein Kammerspiel war. Das ist allein deshalb schade, weil die Umgebung in dem Roman auch so etwas wie ein Hauptdarsteller ist.

Sobald ich das realisiert hatte, fielen mir andere Punkte umso unangenehmer auf.

Mein Freund Maigret

Am Abend seines Todes hatte Marcel Pacaud im Café damit geprahlt, dass Kommissar Maigret sein Freund war. Er hatte etwas im Sinn und wollte ein Signal senden. Geholfen hatte ihm das nicht, die Warnung war offenbar nicht angekommen. Schließlich war er umgebracht worden. 

Die Eingangsszene der Verfilmung spielt ebenfalls darauf an: allerdings ganz anders. Der Mann wirbelte durch das Café und machte seine Scherze. Mrs. Wilcox war sein »Opfer«, er griff sie sich und tanzte mit ihr eine Runde. Warum sich der Sekretär daran stören sollte, habe ich nicht kapiert. Rätselhaft erscheint mir, warum sich die anderen in den Konflikt einmischten. Völlig unlogisch erscheint mir, dass Pacaud ausgerechnet in dieser Situation den Kommissar erwähnte.

Mit dem nächsten Schnitt erfolgt ein Szenenwechsel. Der vergnügte Mann ist offenbar tot und Maigret sitzt in Paris in seinem Büro und schaut zu, wie es regnet. Ein Anruf aus dem Süden hebt seine Stimmung und mit einem kleinen Verweis auf das Wetter ist der Kommissar umgehend bereit, sich auf den Weg auf die Insel vor Hyères zu machen. 

An der Stelle dachte ich: »Wenn Mr. Pyke schon nicht da ist, dann kann man das auch so sehen.« Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mir der Mann aus London gefehlt hat! Sehr geschwätzig war er nicht. Der Reiz der Figur liegt in dem Buch darin begründet, dass Maigret die Zeit über viele Vermutungen anstellt, was er denn denken könnte. Schwierig zu verfilmen, das gebe ich zu, aber ein Versuch wäre es Wert gewesen.

Easy

Ein wesentlicher Unterschied zwischen dieser Rupert-Davies-Episode und dem Buch: Alles war offensichtlich! Die Hinweise waren so zahlreich, dass ein Blinder mit Krückstock erkannt hätte, wo der Hase läuft. Nach einer halben Stunde hätte man schon einpacken können. Es gab Episoden der gleichen Reihe, da habe ich mich gefragt, ob sich die Drehbuch-Autoren ein anderes Ende ausgedacht haben. Hier stellte sich die Frage nicht.

Eine kurze Zusammenfassung: Kein Pyke. Kein Porquerolles. Kein Vergnügen.

PS: Hat man mitbekommen, dass ich nicht zufrieden bin?