Espadrilles

Passendes Schuhwerk


Das Gefühl, dass der Arzt aus dem Département Deux-Sèvres die Insel Porquerolles nach seinem ersten Besuch mochte, stellt sich nicht ein. Alle waren heilfroh, wieder zu Hause zu sein. Trotzdem zog es François Mahé im nächsten Sommer erneut auf die Insel. Besonders kritisch wird es, wenn Touristen anfangen, sich wie Einheimische zu kleiden – um dazuzugehören.

Ich habe den Verdacht, in touristischen Gegenden ein solches Unterfangen  komplizierter ist als in »normalen«. Schließlich wissen die Einheimischen nicht, wie lange die Liebe der Dazugekommenen anhalten wird. Mit Verbrüderungen und Umarmungen – sei es auch nur in sprichwörtlicher Art und Weise – halten sich die Alteingesessenen zurück.

Monsieur Mahé hatte sich ein Hemd gekauft, das bis zu den Ellenbogen aufgeschlitzt war und typische blaue Hosen. Und er entschied sich für eine Fußbekleidung, die in seiner Region weniger üblich war: Espadrilles.

Die durchschnittliche Temperatur auf der Insel beträgt in den Sommermonaten Juli und August 28 Grad, es kann aber auch gern mal ein wenig mehr werden. Als Unbeschlagener in Sachen Mode dachte ich mir, dass sich der Mann eine schicke Kopfbedeckung gegönnt hatte. Ein Sonnenschutz in diesen Breiten ist gewiss eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Zur Sicherheit schaute ich nach und siehe da, der Arzt hatte sich neues Schuhwerk gegönnt.

Praktisch, nicht unbedingt hübsch

Der Begriff »Sommerschlupfschuh« gefällt mir ausnehmend gut. Klingt bequem und leicht. Die Espadrilles gehören mit dazu. Ihren Ursprung haben die Schuhe in Spanien. Dort war die Fußbekleidung sowohl in Katalonien wie auch im Baskenland sehr beliebt und ist unter dem Namen Alpargatas bekannt. In der Mitte, den Pyrenäen, wurden sie sowohl auf spanischer wie auch spanischer Seite hergestellt – aber das Wetter ist dort nicht Espadrilles-geeignet. Die Schuhe lassen sich leicht von Feuchtigkeit beeindrucken, womit in feuchteren und kühleren Gegenden ihr Nutzen sehr begrenzt ist.

Die Sohle besteht aus Flachs oder Hanf. Der Schuh steckt in Baumwollstoff oder Leinen. Das trägt sich so leicht, wie es sich anhört.

Erste Erwähnungen der Schlupfschuhe gab es im 14. Jahrhundert. Getragen wurde sie damals zu allen Gelegenheiten: auf dem Feld, beim Tanz oder zum Wandern. In den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts wurden die Schuhe als Standard-Schuhwerk für die Infanterie eingeführt. Allerdings begann damit auch die Krise des Schuhwerkes, denn man verknüpfte damit nicht mehr das Moderne. Und altmodisch wollte niemand sein.

Da war es nur eine Frage der Zeit, bis Designer auf die Idee kamen, diesen Schuhen in ihre Kollektionen aufzunehmen. Der Aspekt »günstig« verschwand in diesem Luxus-Kontext fix.

Kritischer Blick

Mit meiner Wahrnehmung liege ich nicht falsch. Auch wenn der Doktor mit diesem Stil-Wechsel nicht allein auf der Insel war, beobachtete Madame Mahé die Veränderung ihres Mannes mit gewisser Verwunderung. Manchmal erkannte sie ihn gar nicht wieder. Wobei er mit seiner hellen Haut aus der Menge herausstach. Denn auf Porquerolles hatte er alsbald einen heftigen Sonnenbrand.

Bei Monsieur Mahé war es nur eine Phase gewesen: Er hatte den Stil probiert, aber schon bald trug er seine gewohnten Hosen und wurde hin und wieder auf der Insel mit Krawatte gesehen – wie Zuhause.