Post aus Sneek
Manchmal stolpere ich über Stellen auf der Webseite und denke: Schau an, darüber hast Du schon mal geschrieben. Oder: Hoppla, darüber hast Du noch gar nicht geschrieben. So ist es mir mit dem Briefwechsel zwischen André Gide und Simenon gegangen, von dem ich entdeckte, dass es noch keine Beschreibung gab. Die Seite ist angelegt, aber völlig verwaist. Da muss also dringend etwas getan werden.
Der erste Brief in dem Briefwechsel-Band geht von Simenon an André Gide und reflektiert ein Gespräch, dass die beiden telefonisch miteinander führten. Kurz nach dem Telefongespräch reiste Simenon aus Frankreich in Richtung Holland und hatte keine Gelegenheit mehr, ein persönliches Gespräch mit dem »Meister« zu führen, wie er ihn in der Briefanrede auch nennt. Es wird davon ausgegangen, dass der Briefwechsel im Dezember 1938 startete.
Die Reaktion Gide erfolgte prompt und Gide hat sich sichtlich über den Brief von Simenon gefreut. Er war ans Krankenbett gefesselt und berichtet, dass er hintereinander neun von Simenon Neuerscheinungen gelesen hätte. Drei Ausnahmen nennt er: »Chemin sans issue«[RDSa], »Les Rescapés de Telémarque«[RDUT] und »Touristen de Bananes«[RDB] und aus heutiger Perspektive frotzelt er ein wenig herum, wenn er sagt:
»[...] es wird allmählich praktischer für mich, diejenigen Ihrer Bücher zu nennen, die ich nicht gelesen habe.«
Gide hatte sich auch zwei Maigret besorgt, die in der Fayard-Ära erschienen sind. Allerdings gibt er umumwunden zu, dass er weder »Le fou de Bergerac«[MVVB] noch »Au rendez-vous des Terres-Neuvas«[MBTN] für so herausragend hält, wie die Romane, die Simenon nach 1935 geschrieben hatte. Ein besonderes Lob findet er für »Le cheval blanc«[RDZWR].
Simenon hatte ihm ein signiertes Exemplar von »La Marie du Port«[RDMVH] zukommen lassen und interessiert sich, warum Simenon ausgerechnet diesen Titel gewählt hatte. Gide hält ihn nicht für gelungener als die anderen zuvor erschienen Non-Maigrets, allerdings auch nicht schlechter.
Ungeduldiger Gide
Nun wartete Gide die Antwort von Simenon gar nicht ab, sondern sendete gleich ein weiteren Brief hinterher und erklärt Simenon, warum er dessen Romane so hervorragend findet. Er erklärt das damit, dass alle Fäden der Geschichte dazu führen, die Figur (vermutlich die Hauptfigur) zu zeichnen. Während er in »Le cheval blanc« vom Aufbau hervorragend findet, vermisst er diesen Aufbau bei dem bis dahin umfangreichsten Roman Simenons – »Le Testament Donadieu«[RDTD].
Lebhaft interessiert ihn, ob dieser Aufbau, wie er Simenon gelingt, ein Resultat eines Plans ist, den Simenon hatte, oder ob es Eingebung wäre.
Gide hat die nette Idee, diesen zweiten Brief, als eine Art Postscriptum zum ersten Brief zu betrachten und er schließt ihn ein wenig widerwillig ab – eigentlich könnte er noch mehr schreiben, notiert er am Ende.
Auf eine Antwort muss Gide nicht lange warten.