Bildnachweis: - Titel der Verfilmung
Maigret und die Bohnenstange
Es stürmt hier arg und Übles ist noch zu erwarten. Ob es Maigret in dieser Geschichte besser hat, weiß ich nicht – er kämpft mit der Hitze der Hundstage, bereitet sich seelisch und moralisch auf seinen Urlaub vor. Madame Maigret ist am Packen und erwartet ihren Mann zu Hause. Der bekommt Besuch von einer Bekannten, die vor vielen Jahre versucht hat, ihn auf die Knochen zu blamieren: Bohnenstange. Sie hat Sorgen.
Sie berichtet Maigret, dass ihr Mann in Schwierigkeiten stecken würde oder das zumindest glaubt. Als er seinem Handwerk – dem Tresor-Knacken – nachging, stieß er auf die Leiche einer Frau. Das kam für ihn so unerwartet, schließlich war er in den ehrbaren Haushalt einer reichen Familie eingebrochen. Dort erwartete er reiche Beute und nicht Mord und Totschlag. Ihm fiel nichts Besseres ein, als Hals über Kopf zu flüchten. Er informierte noch kurz seine Frau und machte sich dann von dannen.
Einstimmung
Lapointe taucht in der literarischen Vorlage gar nicht auf und hier übt er, als Maigret ins Büro kommt, das Spiel mit einem Tennis- oder Federball-Schläger. Eigentlich will er in den Urlaub – aber Maigret hält ihn noch ein wenig fest. Wenn es nach der literarischen Vorlage geht, sollte Janvier anwesend sein (was er nicht ist), und der sollte ein wenig Stress haben, denn seine Frau hatte die Geburtstagsfeier für den Sohn organisiert und erwartete nun, dass der Papa mit dabei ist.
Aber Hauptgrund für Stress in der Folge ist vielmehr, der Druck durch Urlaub. In der literarischen Vorlage lag der Fall ebenfalls in der Ferien-Saison. Maigret wurde jedoch nicht durch eine bevorstehende Urlaubsreise unter Druck gesetzt, niemand hetzte ihn. Der Film-Maigret hatte seine Frau im Nacken, die natürlich den geplanten Flug nach Spanien nicht verpassen wollte. Das war übrigens das zweite Mal, dass ich einen heftigen Schluckauf beim Zuschauen bekommen habe – Maigret will nach Spanien in den Urlaub? Eine solche Idee geben weder die literarischen Vorlagen noch die Vorlieben des Kommissars her. Der Zeitgeist aber durchaus.
Der Schock zuvor
Aber vorher wäre ich auch schon vom Stuhl gekippt, wenn ich nicht auf der Couch gelegen hätte. Maigret telefonierte mit seiner Frau und sagte zu ihr wortwörtlich:
»Ich esse in der Kantine eine Suppe.«
Nicht, dass Maigret irgendwas gegen eine gute Suppe oder einen kräftigen Eintopf gehabt hätte: Aber eine Kantine ist mir bisher im Maigret-Universum niemals untergekommen. Ich vermute mal, hier wurde die Synchronisierung von jemanden geschrieben, der sich nicht vorstellen konnte, dass sich Maigret immer etwas aus einem Bistro bringen ließ oder sich dort selbst hinbegab, um das ganze noch mit ein, zwei Bierchen herunterzuspielen.
Liest man die literarische Vorlage, stellt man schnell fest, dass der Kommissar schon fleißig am Genießen war: Pernod, Weißwein und Bier. Einmal musste er einen Kaffee ausschlagen, da er schon einen Weißwein hatte – gefühlt war noch nicht einmal Mittag. Rupert Davies tut es dem Original nach…
Nah dran
Die Geschichte bleibt in den übrigen Punkten nah an der Vorlage. Es spielt sich alles zwischen Maigrets Büro, dem Haus von Dr. Serre (in dem er auch seine Zahnarzt-Praxis beherbergt) und dem Bistro in der Nähe des Zahnarzt-Hauses ab. Die »Bohnenstange« hätte ich mir anders vorgestellt, sie ist in der Verfilmung ziemlich ansehnlich – ich hätte etwas weniger Adrettes erwartet. (Zumal sie gleich groß wie Maigret sein soll oder gar größer.) Und leider fehlt die schöne Szene aus dem Buch, in der Madame Maigret mit Maigret in dessen Büro darf und er sie vorher auffordert (oder anfleht), bitte nicht sauber zu machen.
Während die komische Szene nicht enthalten ist, schaffte es eine von den Drehbuch-Autoren ausgedachte in die Folge: Maigret fragt einen Mann im Bistro nach den Qualitäten des Zahnarztes und der sich als zahnlos entpuppende Zeuge hat keine Meinung. Das war schon komisch.
Mein Fazit: Durchaus unterhaltsam und nicht langweilig – nur wer die Vorlage kennt, wird hin und wieder stutzig.