Seekröten

See(k)röten


In den Geschichten, die um Porquerolles herum spielen, lässt Simenon seine Figuren sehr viel Angeln. Es ist erstaunlich, was er seine Figuren aus dem Wasser holen lässt und zeigt, dass sich der Schriftsteller in dem Metier gut auskannte. Ich nehme das hin, da mich an Fischen nur zwei Sachen interessieren: Sind sie hübsch oder haben sie Gräten?

Seekröten gehören zu den Fischen, bei denen einem nicht in den Sinn kommt: »Die sind aber hübsch«. Das ist nicht sonderlich überraschend, sonst wäre den Namensgeber:innen ein anderer Name als »Kröte« eingefallen. Erstaunlich an den Tieren, die sieben bis vierzig Zentimeter lang werden, ist, dass sie ein erstaunlich langsamen Atemzyklus haben. Sie nehmen das Wasser über die Kiemen auf, behalten es bis zu vier Minuten bei sich und plustern sich dabei bis zu 20% bis 30% auf. Sie leben in Tiefen von 100 bis 600 Meter – dürften dem normalen Angler also nicht so häufig an den Haken kommen und Badende nicht stören. Aber irgendwie sind diese Tierchen auch lustig.

Vor Porquerolles tauchen sie gar nicht auf, denn die Fische leben im Atlantik, Pazifik und Indischen Ozean.

Geschuldet ist der Beitrag einem sehr selten verwendeten Begriff, zuerst dachte ich an einen Übersetzungsfehler – und den will ich immer noch nicht komplett ausschließen. Zu finden ist die Stelle in der Diogenes-Ausgabe von »Die schwanzlosen Schweinchen«. Dort heißt es in der Erzählung »Bei Todesstrafe« an einer Stelle:

Im gleichen Augenblick zog er, unvergesslich für Labro, eine schöne zweipfündige Seeröte aus dem Wasser.

Sucht man nach »Seeröte« werden einem eine ganze Reihe von Artikeln zu Seekröten angeboten. Die Seeröte findet sich erst unter ferner liefen. Beispielsweise auf einer Internetseite, auf der unter anderem korsische Rezepte gesammelt werden. (Auf die Seite war ich schon mal gekommen, als es um Amselpastete ging.) Im Forum eines Online-Übersetzters findet sich ein Eintrag, in dem für den »la rascasse« die Übersetzung »Seeröte« vorgeschlagen wird. Der Beitrag ist jedoch schon in die Jahre gekommen.

Es wird einem auch nicht leichter gemacht, weil der Begriff offenbar für eine Pflanze verwendet wird – aber wenn Jules diese aus dem Wasser gezogen hätte, wäre die Freude gewiss nicht so groß gewesen. Während das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache zur Seeröte keinen Eintrag besitzt, gibt es einen im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm:

SEERÖTHE, f.
eine Art des Kreuzblatts in den südlichen Theilen Europas, crucianella (rubeola) maritima.

Simenon verwendet in seiner Geschichte den Begriff »rascasse«. Das wird üblicherweise mit Drachenkopf ins Deutsche übersetzt. Im Französischen wird von diesen Fischen aus als »crapaud de mer« gesprochen – die Übersetzung würde uns wieder zur Seekröte führen. 

Nur, dass die deutschen Seekröten nichts mit den französischen Seekröten gemein haben. Die Franzosen verstehen unter einer Seekröte eine ganz andere Fischart, unter anderem den Seeteufel – der auch auf unseren Tellern hin und wieder zu finden ist. Die wissenschaftliche Bezeichnung für die Fische lautet Chaunacidae – und daraus wird im Französischen »les Chaunacidae«. Offenbar haben sich die Franzosen noch keinen Kosenamen ausgedacht für die aufplusternden Gesellen ausgedacht.

Kurzes Ende eines kurzen Artikels

Nachdem ich mir einen Vormittag den Kopf darüber zerbrochen habe, würde ich annehmen, dass »Seeröte« immer ein Tippfehler ist – auch bei den Quellen, die ich gefunden habe. Dass die Franzosen den gefangenen Fisch durchaus als »Seekröte« bezeichnen, im Deutschen aber unter dem Namen ein anderer Fisch schwimmt.

Das Bild oben zeigt links die deutsche Seekröte und rechts die französische.