Unterschrift

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Die Katze heischt um Aufmerksamkeit, möchte den Kopf gekrault bekommen. Bei den lustigen Geräuschen, die sie dabei von sich gibt, eine Mischung aus Gurren und Rufen, fällt es ihr leicht, meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Weiter weg liegt der Kater, erschlagen vom Nichtstun und ich genieße, katergleich, den Nachmittag auf der Terrasse unter blauem Himmel und denke mir, ein Waldgrundstück hätten wir damals auch haben können.

Aber da sieht man halt keine Sonne. Ist auch schön, aber anders und halt weniger freundlich. Vermutlich hat man im Sommer nicht nur keine Sonne, sondern auch noch ein Mückenproblem.

Da wären dann noch gewisse Sicherheitsaspekte: Natürlich kann man sich in einem Wald gut verstecken und wird nicht so leicht gefunden. Blöd hat, wenn die Bösewichter einen gefunden haben und übel drauf sind, dann bekommt keiner was mit – vielleicht habe ich zu viele Wallander-Krimis gelesen oder mir sind Hänsel und Gretel noch zu bewusst, denn Simenon thematisiert solche Szenarien weniger.

Womit wir beim Thema sind: Simenon zog, nachdem der Krieg mit Frankreich beendet war, in einen Wald, weg von der Küste. Die Engländer hatten keinen Frieden geschlossen und fingen an, die Häfen in der Nähe von La Rochelle und die von Deutschen besetzt waren, zu bombardieren. Er flüchtete in den Wald nördlich von Fontenay-le-Comte, von dem Simenon berichtet, dass er ihn von früheren Ausritten kannte. In einem Gasthaus in Vouvant, was wiederum nördlich des Waldes liegt, hätten sie von einem kleinen Bauernhof gehört. Der Bauer war im Krieg und dort in Kriegsgefangenschaft geraten, die Frau konnte das Gehöft nicht allein bewirtschaften.

Simenon schreibt, dass der Hof einen Kilometer von Vouvant entfernt lag. Ich glaube nicht, dass Simenon sich da irrt. Die Zeiten haben sich jedoch geändert und während der Ort wahrscheinlich größer geworden ist, sind die Felder ebenfalls gewachsen und Bäume mussten weichen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass es auch keine Spuren mehr dieses kleinen Bauernhofs gibt, von dem Simenon schreibt.

Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass Simenon einen Ort beschreibt, an dem es sich gut Leben lässt und nochmals in seine Beschreibung geschaut. Da tauchte das passende Wort auf: »Idylle«. Genau, dachte ich, er beschreibt eine wunderbare Idylle. Ein Satz später schildert Simenon schon seine Verwunderung darüber, wie man in einer solchen Idylle leben kann, wo an anderen Orten Mord und Totschlag herrscht. Das ist ein Gefühl, dass ich auch oft habe und deshalb kann ich es gar nicht oft genug vor mich her sagen: »Es geht mir sehr gut!« Das erdet mich recht schnell, wenn ich mal wieder Meinung bin, dass ich mich über Kleinigkeiten aufzuregen habe.

Ein Schock

Ein kleiner Unfall, den er beim Schnitzen ein Stockes für seinen Sohn Marc erlitt, ließ ihn zum Arzt gehen, der ihn röntge. Simenon dachte an eine Verletzung durch das Ungeschick, der Arzt schickte ihn aber auf eine ganz andere Strecke: Er gemahnte ihn an das Schicksal seines Vaters, der an einem Herzleiden sehr früh verstarb, und nahm Simenon in die Pflicht, sich in Zukunft in allen Belangen zurückzahlten. So nach dem Motto: Du hast sowieso nicht mehr lang zu leben, verkürze es nicht durch Anstrengung. Kaum siebenunddreißig Jahre alt, bekommt er gesagt, dass er das Herz eines alten Mannes habe.

Man kann sich den Schock Simenon vorstellen. Er macht sich daran, seine Angelegenheiten zu ordnen, weiht Tigy und Boule ein.

Schriftstellerisch hat diese Mitteilung auch Konsequenzen, wobei man sagen kann, dass das Leid des einen oft die Freude eines anderen ist: Als Leser kamen wir dadurch zu einem Schlüsselroman Simenons - »Stammbaum«. Er begann seine Erinnerung in der »Ich«-Form, bevor ihn André Gide wissen ließ, dass er seine Perspektive ändern solle. Schließlich sei Simenon Romancier und er solle aus der Geschichte einen Roman erschaffen.