Unterschrift

Seite 215


Sheldon Cooper, wie Maigret ein fiktionaler Charakter, erkennt die hektischen Zeichen seiner Freunde nicht und plaudert über das, was ihm sein Freund über sein Sex-Leben erzählt hat, vor dessen Freundin. Dabei bekommt er nicht mit, dass das sowohl seinem Freund wie auch dessen Freundin sehr peinlich ist. Jeder kann sich in sie hineinversetzen. Nur Sheldon braucht ein wenig länger. Aber er kommt irgendwann drauf und lernt daraus.

Nun bin ich nicht der große Leser von Autobiographien, aber die expliziten Beschreibungen in »Intime Memoiren« lassen mich weiterhin völlig ratlos zurück. Natürlich ist es eine nette Anekdote, wenn man berichten kann, dass ein Hotel einen Klempner schickt, weil die Heizung defekt ist – und man dann mitbekommt, dass dies nur ein Vorwand gewesen war, da ein Hotelgast offenbar den Eindruck hatte, dass eine Frau im Nachbarzimmer abgeschlachtet wird. Vielleicht ist ratlos auch das falsche Wort, wie im ersten Absatz müsste ich wohl die Wort-Kombination »peinlich berührt« verwenden.

Neues Wort

Mir war der Begriff des »Bumskoffers« nicht bekannt. Wieder was gelernt, dachte ich mir. Immerhin scheint es, dass Simenon auch ein wenig irritiert gewesen war, als Denyse das Wort einführte, sonst hätte er ihn wohl nicht erklärt. Sie kam mit einer Hutschachtel ins Hotel, den sie auch nicht aus der Hand gab, und erklärte ihrem Liebhaber, dass wenn sie das übliche Utensil – »einen Bumskoffer«, ein kleiner Koffer, der nur das Nötigste für eine Übernachtung mit einem Mann beinhalten würde – benutzt hätte, wäre sie nicht in das Hotel gelassen worden wäre. Oh ja, das waren die Zeiten, in der man dreist lügen musste, wenn man als unverheiratetes Paar in einem Hotel einchecken wollte. Man muss aber schon Schwarz-Weiß-Filme schauen, um daran erinnert zu werden. (Es mag auch noch Länder geben, in denen das praktiziert wird, mir ist es aber noch nicht untergekommen.)

Interessant an der Stelle waren auch die Ausführungen Simenons, dass es in bestimmten noblen New Yorker Hotels gang und gäbe war, dass Juden als Gäste nicht akzeptiert waren. Wir sprechen hier über das Jahr 1945, die Deutschen hatten gerade unglaubliche Verbrechen an den Juden begangen, auf der anderen Seite des Ozeans nahm man das aber offensichtlich nicht zum Anlass, die eigenen Regeln und das eigene Verhalten auf den Prüfstand zu stellen. Ich lese parallel ein Buch von Matt Ruff, in dem ein Protagonist sein Geld damit verdient, dass er Reiseführer für Schwarze veröffentlicht. Daraus kann man schließen, dass die Juden nicht die einzigen waren, die in solchen Hotels nicht untergekommen sind – auch wenn es von Simenon nicht extra erwähnt wurde.

Hin und Her

​In dem Kapitel wird nur eine Woche beschrieben. Simenon kehrte aus New York euphorisch zurück. Erklärte Tigy, wie verliebt er sei; besser noch:

»Diesmal bin ich wirklich verliebt.«

​Oh ja, das will man als Ehefrau, auch wenn man schon den Status »abserviert« hat, unbedingt hören! Ein paar Tage später fuhr er wieder nach New York, um sich dort mit Denyse zu treffen.

Eifersüchtig war er übrigens auch noch und von ersten Handgreiflichkeiten, für mich ist auch eine Ohrfeige eine solche, gab es auch schon. Simenon wollte wissen, ob sie sich mit ehemaligen Liebhabern treffen würde und ob es dabei auch zu Sex kommen könnte. Sie verneinte nicht und ließ ihn im Umklaren. Grund genug, dass dem Mann die Kontrolle über seine Hand entglitt.

Ein kurzer Moment des Innehaltens: Wäre das nicht ein passender Augenblick für Denyse gewesen, den Mann zu verlassen?

Weiterer Erkenntnisgewinn: Ich kenne nun »die Lieder« von Denyse und Georges: »Kiss me once, and kiss me twice…« und »Bésame mucho«. Letzteres wurde übrigens 1999 zum meistgespielten spanischsprachigen Lied erklärt (Weihnachtslieder und Geburtstagsständchen hat man bei der Zählung unberücksichtigt gelassen).

Weihnachten. Das Ehepaar Simenon hat Freunde bei sich und feiert ein wenig. Simenon ist nicht ganz bei der Sache und Tigy bemerkt:

»Er denkt an seine große Liebe in New York.«

​Er wartet auf einen Anruf von Denyse, der nicht kommen mag und er hat das Gefühl, dass Tigy ihn bemitleidet. Wenn ich die Worte richtig verstehe, dann war er der Meinung, dass das Mitleid ihm galt, weil er nicht angerufen wurde. Eine andere Interpretation könnte natürlich auch sein, dass es bemitleidenswert ist, wenn sich ein Mittvierziger so gebärdet, wie er es tat. Vor seiner Noch-Ehefrau, vor Freunden.

Es ist immer noch interessant, aber gerade macht es Simenon einem wirklich schwer, ihn zu mögen.

Ich komme kurz noch einmal auf Sheldon Cooper zurück, der in der gleichen Folge nochmals in die Situation kommt und sich fragt, was er falsch gemacht haben könnte. Er sinniert einen kurzen Augenblick nach, macht dann eine wegwerfende Handbewegung und sagt so etwas wie: »Ist ja auch egal!«.