Le Passager du Polarys

Vermutlich eine Premiere


Nachdem Simenon den Schritt gewagt hatte, seine Werke unter eigenem Namen zu veröffentlichen, brauchte es noch ein paar Romane, bevor er sich von seinem Kriminal-Themen abwendete. In diese Frühphase fällt auch der Krimi »Der Passagier der Polarlys«. In Deutschland erscheint im nächsten Winter mal wieder eine Taschenbuch-Ausgabe des Titels; in Belgien hingegen ein Comic.

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Simenon und Comics, das ist schon ein eigenes Thema. Während auf der einen Seite schon vor einer halben Ewigkeit vier Maigret-Romane in gezeichneter Form erschienen sind und in den letzten beiden Jahren sich Zeichner auch an das Leben des Schriftstellers gewagt haben, stand nun ein Roman dur auf der Tagesordnung. Und das dürfte eine Premiere sein. Mir ist zuvor noch keine gezeichnete Form der Non-Maigret-Geschichten Simenons untergekommen. (Wenn einmal von den Illustrationen abgesehen wird, mit denen in Zeitungen und Zeitschriften Geschichten von ihm illustriert worden sind.)

Obwohl es in Belgien eine deutsche Minderheit gibt, steht nicht zu erwarten, dass der belgische Verlag Dargaud das Werk von José-Louis Bocquet und Christian Cailleaux in deutscher Sprache herausbringt – dieser Markt dürfte wenig interessant sein. Auch darauf, dass sich ein Verlag in den deutschsprachigen Ländern findet, der dieses Werk herausbringt, sollte man sich nicht verlassen. Wer diese Geschichte in Comic-Form erleben will, sollte entweder gute Französisch-Kenntnisse besitzen oder sich mit einem Wörterbuch bewaffnen. Die Technik liefert hierbei natürlich mittlerweile auch Alternativen, und wer den Roman zuvor gelesen hat, dürfte auch einige Vorteile haben.

Die Quelle und die Adaption

Die Vorlage Simenons steigt gleich mit den bösen Omen in Hamburg noch ein. Den kleinen Katastrophen, die einen gestandenen Seemann erzittern lassen. Aber der Kapitän lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen, auch davon nicht, dass man ihm einen Offiziersneuling aus Delfzijl vor die Nase gesetzt hat. (Für so einen kleinen Ort ist die Gemeinde im Frühwerk von Simenon prominent verankert.) Dann folgt ein Mord und jede Menge Trubel für den Kapitän, der in dem Roman Petersen heißt.

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In der Comic-Umsetzung ist der Kapitän natürlich ebenfalls sehr präsent, aber sein Name wird - so ich mich recht erinnere – nirgendwo erwähnt. Angeredet wird er von allen mit »Kapitän«, was natürlich irgendwie logisch ist.

Was sprachen die auf dem Schiff eigentlich für eine Sprache? Die Besatzung bestand aus Deutschen, die Gäste waren zum Teil Deutsche, es fanden sich aber auch Norweger darunter und der dritte Offizier war ein Holländer – der allerdings so nah an der deutschen Grenze wohnend durchaus der Sprache mächtig sein durfte. Aber was war mit den Norwegern? Wie kommunizierte der Kapitän mit den Polizisten, die er später an Bord kommen ließ. Diese Frage stellt sich vielleicht auch, wenn man den Roman in deutscher Sprache liest – er drängt sich jedoch nicht derart in Vordergrund, wenn man eine deutsch-norwegische Geschichte auf Französisch konsumiert.

Die Geschichte beginnt in dem Comic allerdings in Paris. Das was in dem Roman erst später »aufgeblättert« wird, ist hier von Anfang an präsent. Eine junge Frau, Marie Baron, wurde in Paris durch eine Überdosis Morphin getötet. Die Polizei ist ratlos, denn der Mieter der Wohnung, in der sich die Leiche fand, war schon seit Wochen verreist und er pflegte, die Schlüssel an Freunde zu geben. Die Concierge kannte diese Leute nicht und der einzig Wissende war auch noch unterwegs.

Zu dem Zeitpunkt zu dem die »Polarlys« in Hamburg startete, war von dem Drama in Paris vor Ort nichts bekannt. Aber natürlich hatte es einen großen Einfluss auf das, was auf dem Schiff passieren sollte. Das Schiff hatte Norwegen noch nicht erreicht, da hatten sie schon den ersten Ermordeten an Bord.

Erst ein Anfang ...

Die von Christian Cailleaux gezeichneten Bilder sind stimmungsvoll und lassen ein, in die Geschichte – interpretiert von seinem Kompagnon José-Louis Bocquet – eintauchen. Man darf gespannt sein, wie viele Geschichten von dem Autoren-Paar noch adaptiert werden und vor allem welchem. Eine Ankündigung für den nächsten Band – »La neige était sale« (dt. »Der Schnee war schmutzig«) – ist für Anfang nächsten Jahres schon angekündigt. 

»Le Passager du Polarys« ist im Mai erschienen und kostet derzeit 21,50 Euro. Der Band ist durchgehend farbig, fest eingebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. Das Buch umfasst achtzig Seiten.