Verwöhnt
Der Kommissar ist ein wenig frustriert. Da steht er vor dem Bürgermeister, Fabrikanten und Seemann und jeder von ihnen könnte Dreck am Stecken haben, nur nachweisen kann er ihnen das nicht. So kommt der Schluss: »Juristisch belangen konnte man keinen von ihnen!«. Also Krimi-Leser und -Gucker denkt man sich an der Stelle: »Moment mal! Was ist denn mit dem ältesten Polizisten-Trick der Welt? Kennt Maigret den nicht?«
Der geht so: Man beobachtet einen Verdächtigen, sagen wir des Mordes. Der Mann verhält sich so, wie es der Name schon sagt: verdächtig. Aber man bekommt nichts Handfestes und Belastbares zwischen die Finger. Da geht der Verdächtige dann die Straße entlang und nimmt sich einfach einen Apfel aus der Auslage, ohne ihn zu bezahlen. Bumms, verhaftet wegen Diebstahls und man kann ihn erst einmal in Gewahrsam nehmen.
Was das mit dem Fall zu tun hat? Eine der großen Errungenschaften der europäischen Einigung ist die Freizügigkeit im Reiseverkehr, insbesondere im Schengen-Raum. Man braucht kein Visum und man wird innerhalb bestimmten Grenzen nicht mehr kontrolliert. Würde ich heute mit dem Auto nach Paris fahren und dort im Auto übernachten, würde ich das hinbekommen, ohne dass ich großartige Spuren hinterlasse (vorausgesetzt, ich meide Autobahnen und bleiben beim bewährten Bargeld). Trotzdem wäre ich legal eingereist. Also, da sind wir schon ein wenig verwöhnt.
Zur damaligen Zeit konnte man gewiss leichter Grenzen überschreiten, ohne erwischt zu werden und man hinterließ weniger Spuren, da viele technische Überwachungsmöglichkeiten noch nicht gegeben waren. Aber wenn man legal in ein Land einreisen wollte, musste man durch die Passkontrolle und bekam einen Stempel für die Einreise. Ebenso für die Ausreise.
Zumindest Monsieur Martineau (alias Raymond Grandmaison) hätte man sich greifen können. Er war im Land und dürfte die Stempel nicht gehabt haben. Warum hat Maigret nicht einfach nach dem Pass gefragt?
Wenn Martineau sich die passenden Einreise-Einträge für den Pass doch besorgt haben sollte, auf welchem Weg auch immer, wäre immer noch die Geschichte mit dem Fahrrad, dass er gestohlen hatte. Seit wann ist es denn so, dass ein Dieb erklären kann, er hätte etwas nicht gestohlen, sondern nur geliehen?
Aber dieser Trick, den Verdächtigen wegen eines anderen Deliktes erst einmal festzuhalten, den kannte Maigret nicht oder wollte ihn nicht nutzen.
Abschließend fragte ich mich, dass keine der Verfehlungen für Martineau/Grandmaison irgendwelche Konsequenzen hatte. Schließlich hatte er mit Lucas auch noch einen Polizisten überfallen. Auch nicht gerade die feine norwegische Art, die sich ein französischer Ermittler gefallen lassen würde.