Wanderlust

Wanderlust


Das mit dem Internet ist unbestritten eine feine Sache. Als ich gestern Morgen aufstand, war ich noch ahnungslos. In meinem Posteingang lag eine Mail, die mich in Kenntnis setzte, dass es »Wanderlust« gibt. Keine 36 Stunden später weiß ich, dass ich für zweiundeinviertel Seiten 4,36 Euro ausgegeben habe. Eine ganze Reihe von Anschaffungen waren lukrativer.

Dieses Internet-Erlebnis war nicht ganz so prickelnd – muss ich zugeben. Aber auch nicht jeder Wein, den man öffnet, erfreut einen. Aber fangen wir ein Stück weiter vorn an …

In der Mail wurde angefragt, ob ich schon den Sammelband »Wanderlust« (herausgegeben von Aleksia Sidney) zur Kenntnis genommen hätte, der gerade beim Kampa-Verlag erschienen sei. In der Vorschau war angekündigt, dass sich in diesem ein Text von Simenon befinden würde. Befremdet nahm der Leser zur Kenntnis, dass der Text von Simenon in seine Ausgabe nicht vorhanden war.

Ich kann nicht sagen, was passiert ist. Manchmal passieren so Sachen. Das ist hier keine wissenschaftliche Publikation, da darf man auch mal Mutmaßungen anstellen und wild rumspekulieren. Mein Tipp: Bisher ist der Ursprungstext noch nicht übersetzt worden und die Rechte für die deutsche Übersetzung liegen bei Diogenes. Und nicht bei Kampa. Damit hatte sich die Veröffentlichung erledigt.

Bei Recherchen ist eine meiner Anlaufstellen der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Für viele Bände gibt es mittlerweile ein Inhaltsverzeichnis, so dass man nachschauen kann, was der Band beinhaltet. Der Kampa-Band ist dort verzeichnet, liegt aber noch nicht vor. Deshalb existiert bisher kein Abzug des Inhaltsverzeichnisses vor. Beim Stöbern dort fiel mir auf, dass einen Band gibt, der den gleichen Namen hat und der vor etwa zehn Jahren von Daniel Kampa herausgegeben wurde – bei Diogenes. Auch für den gab es keine Inhaltsübersicht  … leider.

Der »Klappentext« klingt bei beiden Bänden sehr ähnlich. Weshalb ich mir diesen Band gleich besorgte. Vielleicht war da einen Entdeckung, eine kleine Sensation zu erwarten!

Die zuvor erwähnten sechsunddreißig Stunden später, halte ich den Band in meinen Händen und sehe, dass das Wanderbuch einen Text namens »Umherspazieren« beinhaltet. Schon nach den ersten Zeilen wurde mir klar, dass es ein Ausschnitt aus seinem Tagebuch-Band »Als ich alt« war. Diese waren in den 60er-Jahren von Simenon geschrieben worden und geben einen kritischen Einblick in die damaligen Eheprobleme des Schriftstellers. Der Band liest sich meines Erachtens wesentlich leichter als die späteren »Intimen Memoiren«. 

Der kurze Ausschnitt befasst sich damit, dass Simenon beim Reden gern umherging (wandern wäre eine andere, mögliche Formulierung) und sich ein Besucher, um die Gewohnheit nicht wissend, sich ihm bei diesem Gehen durch Simenons Zimmer anschloss. Und darum, dass seine Kinder nicht so gern mit ihm Spazieren gingen. 

Für mich war es ein Déjà-vu. Ich hatte mich seit dem Vortag gefragt, welche Erzählung es in den Sammelband geschafft haben könnte. Partout wollte mir keine Geschichte einfallen, die ich damit in Verbindung bringen würde. Wie hatte ich vergessen können, dass es eine »alte« Diogenes-Marotte war, Texte von Simenon auszubeuten – insbesondere das Tagebuch »Als ich alt war« – und in dieser Form in diesen Buch-Pot­pour­ris zu verwenden?

Was lehrt uns das? Sammelbände sollten nicht gekauft werden, um eine bestimmte Autorin oder einen bestimmten Autor zu lesen – das Thema sollte die Motivation sein. Außer natürlich, es besteht die Absicht, einen Artikel im Anschluss im grandiosen Internet zu verfassen.

Diesmal habe ich fast alle Fragen klären können, bis auf die eine: Wer ist denn Aleksia Sidney?