Maigret hat Skrupel – Xavier Marton

Zack, und weg!


Hätte nur einen Tag warten müssen, dann hätte sich die vorherige Einleitung von selbst erübrigt. In der wurde die Fragestellung angeschnitten, ob das »und« im Serien-Titel für die Redaktion ein Problem dargestellt hätte. Wie man an »Maigret und seine Skrupel« sieht, stellte dieser Aspekt ein solches nicht dar. Die Redakteure hatten keine Vorbehalte, den Hörspiel-Titel anzupassen.

Bei vielen Maigret-Geschichten habe ich, wen wundert's, eine gewisse Ahnung, was passiert. Diese Geschichte gehört zu denen, die mir sehr vertraut sind. So war Xavier Marton noch nicht ganz verschwunden, da war ich schon eingeschlummert. Aber nicht tief, denn die Stimme von Maigret war immer in meinem Ohr. Irgendwann bekam ich mit, wie Maigret verkündete, man habe es nicht mit einem Pärchen zu tun, sondern mit zweien. Und ich fragte mich, wie er denn zu dieser Erkenntnis gelangt sei, wo weder Frau noch Schwägerin auf der Bildfläche aufgetaucht waren. Waren sie sehr wohl, aber ich stand nicht neben der (virtuellen) Bühne, um dem beizuwohnen.

Ich stoppte die Übertragung und beschloss, die Augen zu schließen. Das klappte auch nicht, denn nun spann ich selbst die Geschichte weiter. Bin dann aufgewacht, weil die Skrupel-Geschichte sehr merkwürdig wurde und Figuren auftauchten, die mit der ursprünglichen Geschichte definitiv nichts zu tun hatten. Anders ist es nicht zu erklären, warum der junge Mann, der mir heute beim hiesigen Bäcker ungeschickt den Kuchen einwickelte, plötzlich als Verbrecher die Szenerie betrat.

Da hielt ich mich lieber an die Inszenierung vom Routinier Heinz-Günther Stamm.

Der Hörspiel-Spezialist

Stamm wurde im Dezember 1907 in Marienburg in Westpreußen geboren. An der Stelle muss ich mich sehr zusammenreißen, um nicht einen Exkurs über die fantastisch erhaltene Burg der Stadt zu starten – mir ist in Erinnerung, dass es sich um die größte erhaltene Ziegelstein-Burganlage handelt, die noch erhalten ist. Der Schauspieler bekam nicht mit, wie sie im Zweiten Weltkrieg beschädigt wurde – seit den 20er-Jahren war er erst in Berlin auf der Schauspielschule, bevor er Engagements in Hamburg und Weimar hatte.

Eine neue Richtung nahm das Leben des Schauspielers nach dem Krieg. Zwar hatte er noch Engagements als Darsteller, aber er konzentrierte sich mehr auf das Regie führen. Erst am Theater und spätestens ab 1949 auch als Regisseur von Hörspielen bei seinem neuen Heimatsender, dem Bayerischen Rundfunk. Bis zu seinem Renteneintritt war er dort auch jenseits der Maigret-Hörspiele sehr aktiv, so kümmerte sich auch um das richtige Ambiente beim Krimi-Konkurrent Sherlock Holmes und produzierte mehre Hörspiele in der BR-Reihe.

Stamm war nicht nur dem Krimi-Gewerbe verpflichtet. Von ihm stammen auch Produktionen aus anderen Genre, wie Beispiel Tolstoi und Shakespeare wie den deutschen Klassikern Goethe und Schiller.

Auch nach seiner Pensionierung arbeitete Stamm noch als Regisseur für Hörspiel-Produktionen. Eine Auflistung seiner Theater-Produktionen nach dem Krieg ist nicht zu finden. Erwähnenswert ist jedoch, dass er sich nur einmal hinter die Kamera »getraut« hat: 1962 führte er Regier für einen Fernsehfilm mit dem Titel »Kaum zu glauben«.

Im Alter von 70 Jahren starb Heinz-Günther Stamm 1978 in München.

Übrigens: Die zarte, verletzliche (und äußerst sympathische) Stimme von Jenny, der Schwägerin von Xavier Marton in dem Stück, könnte einigen Zuhörer:innen sehr bekannt vorkommen: Sie gehört der Schauspielerin Ingrid Pan, die seinerzeit die Stimme von Priscilla Lane in »Arsen und Spitzenhäubchen« war. Ingrid Pan war die erste Ehefrau des Hörspiel-Regisseurs und wurde von ihm immer wieder mal in seinen Stücken besetzt. 

Keine Schuld!

An dem Regisseur, das möchte ich beteuern, lag es nicht, dass ich beim Hören der Geschichte das Land der Träume besuchte. Die Inszenierung war genauso routiniert und hörenswert, wie die zuvor.

Zur Erinnerung: In Maigrets Büro tauchte ein Mann auf, der als Spielwarenverkäufer in einem großen Pariser Kaufhaus arbeitete, und äußerte die Vermutung, dass seine Frau ihn umbringen wolle. Zu Ende kommt er mit seiner Geschichte nicht, denn Maigret wurde aus dem Büro gerufen, und als er wieder zurückkam, war schon erwähnter Xavier Marton verschwunden. Dafür besuchte ihn alsbald eine Frau, die sich als Ehefrau abgab, und die Geschichte zu entkräften versuchte. Die Situation war schwierig für den Kommissar, denn es gab keine Drohungen und auch kein Verbrechen.

Zumindest nicht zu Anfang.