Die anderen Detektive


Denkt man an Simenon, so hat man sofort Maigret im Kopf. Aber Maigret war nicht der einzige Polizist (Ermittler) der der Feder Simenons entsprungen ist. Der kleine Doktor hat es in eine Fernsehserie geschafft und auf die anderen sollte man mal schauen.

Doktor Jean Dollent ist klein und unauffällig. Dieser ganz andere Typus des Verbrecherjägers ist schon fast als Persiflage auf Maigret zu verstehen. Die Fälle des Landarztes, dessen Markenzeichen sein tuckerndes Auto und seine Liebenswürdigkeit sind, haben ein gewisses Augenzwinkern, denn immer ist der kleine Doktor den professionellen Kollegen ein Schritt voraus. Das wäre etwas, was Kommissar Maigret ordentlich nerven würde…

Der kleine Doktor durfte zweimal »zuschlagen«, die ersten Erzählungen entstanden 1938, einer sehr kreativen Zeit Simenons, in der auch viele Maigret-Kurzgeschichten entstanden sind (zum Beispiel »Herr Montag«).

Eine etwas engere Bekanntschaft mit dem sympathischen Hobby-Detektiv können Sie in der Erzählung »Der Spürsinn des kleinen Doktor«. Dort wird einmal ein Vergleich zu dem Übervater der Polizisten gezogen (immer wieder trifft man Spuren im Web, werden neuere Krimi-Detektiv-Charaktere mit Kommissar Maigret verglichen. Eigentlich auch sehr interessant: warum nicht mit Sherlock Holmes, der doch ungemein penibler war. Vielleicht eine Sache der Väterlichkeit und Gerechtigkeit, die man dem Kommissar nachsagt?). Er wird zu einem abgelegenen Haus gerufen und findet dort ein Grab, welches dort nicht hingehört. Die Polizei, von ihm gerufen, kommt, aber in dem kleinen Doktor ist der Spürsinn eines Detektivs geweckt worden, und er möchte diesen Fall lösen. So muss man sich nicht wundern, dass ihm die Fälle in der Folgen zufallen: wie zum Beispiel der Fall mit der »Dame in Hellblau«, die ihm den Urlaub versüßt und die Hartnäckigkeit des Rothaarigen, der ihn in »Die Spur des Rothaarigen« bekniet, behilflich zu sein.

Die folgenden beschriebenen Erzählungen entstanden fünf Jahre später. Die erste Erzählung »Der Tote, der vom Himmel fiel« bescherrt dem kleinen Doktor den Auftrag einer resoluten jungen Frau, die vermutet, dass der Tote, der im Garten ihrer Adoptiveltern landete, nicht vom Himmel fiel, auch wenn es den Anschein hatte, sondern dass der Mann ihr leiblicher Vater ist und von ihrem Adoptivvater umgebracht wurde. In der Erzählung »Das Schloß der roten Hunde« kommt das Verbrechen nicht zu Jean Dollent, wie es vorherigen Erzählungen üblich war, sondern er sucht einen Hauptverdächtigen aus reiner Neugier auf und untersucht den Fall. Den dritten Fall der zweiten Serie bekommt der Doktor von Kommissar Lucas, der aus der ersten »Staffel« ja schon bekannt ist, zugeschanzt. In einem Pariser Kaufhaus wurde ein Mann beim Pantoffelanprobieren ermordet – die Kaufhausleitung möchte einen Privatdetektiv haben, der sich um den Mord an dem Pantoffelliebhaber kümmert. Lucas empfiehlt Dollent.

Manchmal sind die Titel, die Simenon gewählt hat, wirklich sehr vielversprechend. Ich wusste aber nicht, was ich von einer Erzählung mit dem Titel »Der Krüppel mit der Holzbirne« zu halten hatte. Sie erwies sich als sehr unterhaltsam. Titelheld ist in gewissem Sinne Justin Duclos, ein Ex-Kommissar der Pariser Polizei, den es kurz vor dem Ende der Dienstzeit (oder kurz danach) böse erwischt hatte, und der seit dem im Rollstuhl saß. Er war aber sehr fit und konnte wie Nero Wolf seine Fälle aus dem Stuhl heraus lösen. Zur Seite standen ihm dabei seine Adoptivtochter und, natürlich rein inoffiziell, die ihm zu Füßen liegende Pariser Polizei. In der Erzählung »Die Sängerin von der Pigalle« versucht sich die Adoptivtochter von Jean Duclos als Ermittlerin, assistiert von dem uns wohl bekannten Lapointe.