Lesend

Drei Fragen, drei Antworten


Die Lektoren sitzen an der Quelle: Jeder Roman, der erscheint, ist durch ihre Hände gegangen und jede Seite wurde mehrmals geprüft. Wenn sich jemand auskennt, dann sind es die Simenon-Lektoren, das ist doch klar. Gefragt wurde mal das Lektorat von Hoffmann und Campe/Atlantik, welche Vorlieben bestehen und welche Romane sie als Einstieg empfehlen würden. Hier finden Sie die Antworten.

An Simenon kommt man so oder so nicht vorbei. Sind Sie eher ein Liebhaber der Maigrets oder der großen Romane?

Maigret ist ein guter Einstieg in das umfassende Werk Georges Simenons, außerdem wächst einem der Kommissar und seine vielen Helfer rasch ans Herz. Besonders für Paris-Fans, wo die meisten Maigrets angesiedelt sind, ist die Lektüre der Krimis zu empfehlen. Doch hat man sich erst an die Romane gewagt, wird man feststellen, dass sie den Maigrets gar nicht so fremd sind, und besonders tiefe Einblicke in die Seele der Menschen gewähren. Die »roman durs« sind in ihrer Abgründigkeit natürlich eine gewisse Herausforderung, aber Georges Simenons Stil bleibt stets zugänglich und seine Romane gewähren uns Einblick in die Welt seiner Figuren: Hat man sich an sie herangewagt, lassen sie einen nicht mehr los.

Welches Werk von Simenon würden Sie einem Leser, der bisher keinen Lese-Kontakt zu Simenon hatte, als Einstieg empfehlen?

Wenn es ein Maigret sein soll, dann würde ich »Maigret und die Tänzerin« empfehlen. Ein verwickelter Fall rund um die faszinierende Arlette, für dessen Aufklärung Kommissar Maigret sich ganz persönlich verpflichtet fühlt und der ihn in das berühmt-berüchtigte Pariser Rotlichtmilieu führt. Auch hier glänzt Maigret durch seine bewährte stoische Ermittlungstaktik. Bei den Romanen hat man ebenfalls eine große Auswahl, einen tollen Einstieg bietet zum Beispiel »Die Ferien des Monsieur Mahé«, der, angesiedelt auf der wunderschönen Mittelmeerinsel Porquerolles, durch die dichte Erzählung und das geradezu flimmernde französische Flair besticht

Welches Werk von Simenon halten Sie für unterschätzt? Oder gibt es eines, was für überschätzt halten?

Es fällt mir schwer, mich hier auf einen Titel festzulegen, da die literarische Qualität Georges Simenon immer wieder unterschätzt wurde. Gerade arbeiten wir an der Neuübersetzung von »November« (»Novembre«), ein kurzer und spannender Roman, der aber das Leben einer kleinen Familie am Rande von Paris einfängt und Einblick in eine sehr bedrückende Atmosphäre gewährt, die sich zwischen Menschen unter einem Dach aufbaut, wenn erst mal das Misstrauen eingezogen ist. Das Besondere an diesem Roman ist, dass er aus Sicht einer jungen Frau erzählt wird – eine eher seltene Perspektive bei Simenon.