Jean Gabin


In nur drei Maigrets spielte Gabin den Kommissar. Trotzdem ist er der Über-Maigret. Er spielte die Rolle mit einem Augen-Zwinkern und viel Menschlichkeit. In den Filmen stimmte alles: Schauspieler, Story und Ausstattung. Gabin kann als Referenz gelten.

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»Wenn alle die Nerven verlieren, jeder wegen nichts und wieder nichts schreit, verliert er nie seine Ruhe. Er behält immer den klaren Blick für die Dinge.« So urteilte seine Kollegin Danielle Darrieux über den Schauspieler Jean Gabin. So wird bestätigt, dass er die Ruhe nicht nur spielen konnte, sondern sie verkörperte. Liest man Stimmen zu dem französischen Schauspieler, dann stellt man fest, dass er von vielen nicht als Schauspieler gesehen wurden, sondern als Persönlichkeit, die in der Lage war, sich in beliebige Personen hineinzuversetzen. Man bekommt von allen Seiten zu hören, was für ein großartiger Schauspieler Jean Gabin gewesen ist und leise Kritik ist nur am Ende seiner Karriere wahrzunehmen, als er einfach nur noch der Gabin war.

Er ging als Mythos aus seinem Leben. Das ist erstaunlich, denn es sah gar nicht so aus, als würde Jean Alexis Gabin Moncorgé Schauspieler werden. Sein Vater Joseph war Operettensänger und Kabarettist, die Mutter stammte aus dem gleichen Berufsmilieu. Der Vater mochte das Talent seines Sohnes erkannt haben und reagierte darauf (oder er hoffte auf das Familientalent Schauspielerei ...), in dem er ihn in ein Gymnasium steckte, in dem diese Talente gefördert werden sollte. Der junge Gabin hatte nicht vor, sich dem Schauspielermilieu zu ergeben und zog es vor, aus dem Gymnasium zu flüchten. Er bereitete Zement vor, arbeitete in einer Gießerei und als Lagerarbeiter, und es schien, als wäre er so glücklich. Der Vater gab vor, diesen Lebensweg seines Sohnes zu akzeptieren, das war aber nur ein Schein. Die erstbeste Gelegenheit nutzte Joseph Gabin, um seinen Sohn einem Theaterdirektor vorzustellen, der Jean Gabin vom Fleck weg engagierte. So spielte er plötzlich spielte Kellner und andere Kleinrollen auf den Brettern, die ihm nichts bedeutet hatten.

Nach seinem Militärdienst stand er 1926 erstmals in der ersten Reihe auf der Bühne. Das zusammen mit seinem Vater, und beide ernteten großes Lob in der Presse, gepriesen wurde seine natürliche Komik des jungen Gabin. Nach diesem Engagement machten sich die Erfolge rar: 1927 brach er zu einer Südamerika-Tournee auf, um in der Ferne französische Chansons zu interpretieren. Diese Tournee war eine der frustrierendsten Erfahrungen Gabins gewesen, was ihn nicht abhielt, sie im darauffolgenden Jahr zu wiederholen. Nach und nach kehrte er auf die Pariser Bühnenbretter zurück, feierte die ersten Erfolge an der Seite damals bekannter Schauspieler und heiratete Gaby Basset.

1931 folgte sein erster Auftritt auf der Leinwand, ein Stummfilm, in dem er einen lustigen Sketch spielte (»Les Lions«), und danach folgten Auftritte in den sich schnell verbreitenden Ton-Filmen. Seinen Durchbruch feierte Jean Gabin mit seinem 17. Film – »La Bandera«. Es folgten Filme, die ihn international bekannt machten, wie zum Beispiel »Les Bas-Fonds« (Nachtasyl), Pépé-le-Moko (Im Dunkel von Algier) und »Quai des brumes« (Hafen im Nebel). Gabin konnte es sich leisten, nur in Filmen zu spielen, in denen er auch spielen wollte. So wartete er auf Jean Renoir, um in dessen Film »La Grande Illusion« (Die große Illusion) mitspielen zu können (auch wenn er, wie er später berichtete, nur noch 6000 Francs auf dem Konto hatte). Jean Gabin, der schon damals ein Anziehungspunkt im französischen Kino war, blieb ein bescheidener und umgänglicher Mensch. Raymond Rouleau schrieb über den Schauspieler: »Kein einziges Mal habe ich erlebt, dass er versuchte, die Kollegen auszustechen oder dem Regisseur zu gefallen. Er wendete sich immer, mit wunderbarer Sicherheit an das Publikum.« So verschmerzten es die Regisseure, wenn Gabin partout bestimmte Szenen nicht so spielen wollte, wie vorgeschrieben, denn spätestens beim Schnitt erkannten sie, dass Gabin untrügliches Gespür nicht versagt hatte und sein Auftritt auf die Zuschauer wirkte.

Der Krieg beendete die Karriere des Schauspieler für das Erste. Am 2. September wurde er zur Marine nach Cherbourg eingezogen. 1941 reiste er nach Amerika, um bei Fox einen Film zu drehen. Der Amerika-Ausflug, der notgedrungen erfolgte, nutzte Gabin nicht. Die Filme bekamen schlechte Kritiken und fanden keinen Anklang beim Publikum. 1943 ging er zur französischen Marine. Seine Erfolge bei der Marine sind bekundet, ganz nach seiner Natur spielte er sich mit diesem Lob später nicht auf. Interessanterweise spielt der Krieg in seinem Werk keine Rolle, nur selten gibt es Anspielungen darauf. Insofern ähnelt das Schaffen Gabins dem vom Simenon. Auch der Schriftsteller hatte in seinem Werk nur wenige Bezüge zum 2. Weltkrieg hinterlassen. Ein anderer auffallender Punkt ist, das Schicksal der Helden. In vielen Frühwerken überlebt die Figur, die Gabin verkörperte, das Filmende nicht (was sich mit den Jahren änderte). Eine Ähnlichkeit, die er mit vielen von Simenons Romanhelden teilte. Grundsätzlich anders darf man das Verhalten der beiden im Kriege bezeichnen: das von Gabin kann nicht beanstandet werden, ist mustergültig zu nennen, während Simenons Gebaren in der Kriegs- und Besatzungszeit zumindest dubios war. Die beiden, das soll an der Stelle auch erwähnt werden, kannten sich seit den dreißiger Jahren und waren locker befreundet.

Simenon bekam nach dem Krieg schneller wieder Boden unter den Füßen, für Jean Gabin begann eine lange Durststrecke, die erst nach fünf Jahren endete. 1949 heiratete er ein zweites Mal: mit Christiane Fournier lebte er bis zu seinem Tod zusammen, aus der Ehe entstammten drei Kinder. 1950 drehte er einen ersten Film, der nach einem Roman von Simenon entstand – »La marie du port« (Hafen der Verlockung). Weiter ging es mit »La Vérité sur Bébé Donge« (Die Wahrheit über unsere Ehe) und »En cas de malheur« (Mit den Waffen einer Frau), einem Film, bei dem viele Männer schwach geworden sein dürften. Jean Gabin, der mit vielen bekannten und schönen Frauen spielte, meinte auf die Frage, wie es denn sei, diese in den Armen zu halten: »Es bleibt einem im Film nichts anderes übrig. Ich finde es blöd, aber es muss halt sein.« Eine Antwort, wie sie von Kommissar Maigret stammen könnte. So war es auch keiner Wunder, dass der berühmteste französische Schauspieler den berühmtesten französischen Romankommissar spielte. Dreimal gab er den Kommissar und Simenon urteilte, obwohl er eigentlich keine Maigret-Filme schaute: »Jean Gabin schließlich, füllte dank seiner einzigartigen Persönlichkeit die Rolle aus, obwohl er in meinen Augen ein bisschen zu schlampig in seiner äußeren Erscheinung war, seine Krawatte nicht richtig gebunden hatte und ähnliches mehr.« Das waren Kriterien, die die Zuschauer nicht interessierten: »Maigret tend un piêge« sahen in Paris innerhalb von 4 246 000 Zuschauer. Bei den folgenden Filmen ließ das Interesse ein wenig nach, brachte aber immer noch viele Zuschauer in die Filmbühnen.

In den Augen von Gauteur und Bernard, zwei Gabin-Biographen, vollzog sich in der Zeit um 1959 ein Bruch. Der Schauspieler Gabin starb und es wurde ein Mythos geboren, der Gefangener der Dreharbeiten wurde und Opfer seiner Schrullen. Die Filme wurden in vieler Hinsicht belangloser und fielen immer häufiger der Kritik zum Opfer. Seiner Beliebtheit beim Publikum tat dies keinen Abbruch. Stand er nach einer Umfrage bei den Kinobesitzern im April 1939, die die Anziehungskraft von Schauspielern einordnen sollten, mit 1840 Punkten an der Spitze (gefolgt von Ferndel mit 1258 Punkten, was man abgeschlagen nennen kann), so waren es 1972 31% der Kinobesitzer, die Jean Gabin als Kassenmagneten ansah (damals gefolgt von Jean-Paul Belmondo, der auf 21% kam). Für einen alten Herren war das ein beachtlicher Wert. Fakt ist: Jean Gabin konnte spielen, was er wollte. Es war egal, ob er den Gangster gab oder den Polizisten, den Clochard oder den Politiker. Das Publikum nahm ihm die Rolle ab, egal ob er von sich behauptete, dass er mit Politikern nichts anfangen könnten und sie alle als Lügner bezeichnete. Gabin hatte auch nichts für das Militär übrig (was angesichts seiner Erfolge in dem Metier verwundert), und meinte, er würde nie einen Geistlichen spielen, ausgenommen den Papst.

Gemeinsam mit Fernandel betrieb er für einige Zeit die eigene Produktionsfirma GAFER, die vor allem Filme von Gabin und Fernandel produzierte.

Die letzten Jahre spielte er nicht für den Ruhm oder den guten Film, er spielte für Geld, um sich sein Leben leisten zu können. Fern die Zeiten, in denen er auf die Filmerei verzichtete, um an einem herausragenden Film mitwirken zu können. Der Enthusiasmus war fort und vielleicht ist das auch ein Punkt, der Claude Autant-Lara anlässlich von »Le chat« (Die Katze) bewegte zu sagen: »Es ist einer seiner letzten Filme, auf den die Schlussfolgerung eines berühmten Branchenkenners zutrifft, dass das Alter einem Untergang gleichkommt.« Immerhin, die Kritik war von dem Film sehr angetan. Man kann diese Simenon-Verfilmung als letzten bedeutsamen Film Gabins ansehen (vielleicht abgesehen von »Deux homme dans la ville« (Endstation Schafott)).

Jean Gabin wurde am 17. Mai 1904 in Paris geboren und starb am 15. November 1976 in Neuilly-sur-Seine.