Wegweiser

Spurensuche in Lüttich


Gerade wer sich mit Simenon-Biografien befasst hat oder das autobiografische Werk Simenons gelesen hat, kommt vielleicht auf die Idee, sich seine Lütticher Stationen vor Ort anschauen zu wollen. Das ist kinderleicht, wenn man erst einmal vor Ort ist. Zum einen, weil die Strecke gut ausgezeichnet ist. Zum anderen, weil es in der Innenstadt ist und ganz flach.

Letzteres ist in Lüttich keine Selbstverständlichkeit. Bei den ganzen Steigungen und den Treppen in der Stadt kann man schon mal leicht aus der Puste geraten. Tendenziell sollten Interessierte sich für ein solches Vorhaben die wärmeren Jahreszeiten aussuchen, damit die Chance besteht, ohne Regenschirm eine solche Expedition durchzuführen. Aus eigener Erfahrung kann gesagt werden, dass die Eindrücke, die man von der Stadt hat, bei schlechtem Wetter extrem leiden – mehr als bei anderen Städten.

Vorbereitung und Anlaufpunkte

Wenn Sie Interesse an einer solchen Tour haben, können Sie sich entweder an die folgenden Informationen halten oder Sie wenden sich an das »Office du Tourisme« der Stadt Lüttich. Das befindet sich in der Nähe des Marktplatzes, die Öffnungszeiten können der Webseite entnommen werden. 

Sehr sicher werden Sie dort auch einen Ansprechpartner finden, der Ihnen in deutscher Sprache weiterhelfen kann. Auf jeden Fall sollte nach der Broschüre »Auf Simenons Spuren« gefragt werden, welche die Tour vereinfachen kann.

Die Tour kann auch mit Hilfe der gut gemachten Webseite der Touristen-Information absolviert werden, allerdings steht diese nur in französischer Sprache zur Verfügung – was schade ist.

Vergleicht man die Tour, die in dem Beitrag vorgestellt wird, mit der »offiziellen«, so wird man Unterschiede feststellen können. Bei einigen Halten war der Simenon-Bezug nicht herstellbar, andere schienen nicht so interessant (beispielsweise die Jugendherberge mit dem Namen Simenons). Bei einer Route, die nicht geschlossen ist, und bei der man den gleichen Startpunkt gewählt hat, von andersherum gelaufen zu sprechen, erscheint widersinnig. Aber bei der hier vorgestellten Route wird »falsch« abgebogen, dass es wirklich so scheint, als würde man in der falschen Richtung unterwegs sein. 

Da es bei der Original-Route keinen roten Faden gibt, zumindest nicht in chronologischer Sicht, ist die hier gewählte Route nicht besser und nicht schlechter.

Die Beschreibung hier gibt den Stand des Jahres 2022 wieder. Städte sind wie lebende Organismen, ständig ändert sich etwas. Deshalb möge man entschuldigen, wenn sich gewisse Dinge ändern. 

Der Start

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(1) Sie haben sich gewappnet! Entweder mit dem Info-Material, welches die Stadtinformation zur Verfügung gestellt hat, vielleicht mit diesem Text oder Sie schleppen ein wenig Literatur- und Sekundärliteratur über Simenon mit sich herum. Wie auch immer. Wie sind auf dem Marktplatz und schauen auf das Rathaus von Lüttich.

Ein Rathaus hatte Lüttich schon länger gehabt – aber wer immer Lüttich im Mittelalter etwas Übles wollte, zerstörte das Rathaus. Die anderen Gebäude litten in der Regel auch, wurden teilweise in Schutt und Asche gelegt. So musste sich der Platz immer wieder neu erfinden. Die anderen, nicht städtischen Gebäude wurden meist schnell wieder aufgebaut; mit dem Rathaus wurde sich Zeit gelassen. Das Gebäude, das heute zu sehen ist, entstand 1714 und hat auch schon einige Jahre auf dem Buckel. Es ist definitiv das eindrucksvollste Haus am Platze, die anderen sind wesentlich schmäler.

Simenon war hier vermutlich nicht nur wegen Pass-Angelegenheiten unterwegs, am 24. März 1923 ehelichte er in dem von den Lüttichern »Veilchen« genannten Gebäude Régine Renchon, kurz Tigy. Zuvor war er regelmäßiger Besucher im Rathaus gewesen, schließlich agierte er als Polizeireporter und im dort ansässigen Kommissariat bekam er die Polizeimeldungen überreicht. Einen gut dokumentierten Auftritt hatte Simenon im Jahre 1952 – bei seinem Besuch der Stadt wurde er als Prominenter empfangen und gefeiert.

An dem Gebäude gibt es eine Ehrentafel zu Ehren des Journalisten Arnold Maigret, der in einem Konzentrationslager von den Deutschen umgebracht wurde. Simenon könnte ihn gekannt haben, gab aber an, dass der Mann kein Pate für seinen Kommissar gewesen war.

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(2) Wenn Sie um das Gebäude herum gehen, kommen Sie zum »Place du Commissaire Maigret«. Auf diesem ist nicht nur eine Gedenktafel im Boden eingelassen zu finden, vor dieser sitzt auf einer Bank wiederum Georges Simenon auf einer Bank. Es ist leicht, sich neben ihn zu setzen und ein wenig auszuruhen. Die Frage ist natürlich, wovon – die Tour begann ja erst. Lassen Sie sich nicht dazu hinreißen, ein paar Bilder von sich mit der Statue zu machen, ist vor sich beim schnellen Versenden oder fixen Teilen in sozialen Netzwerken angesagt. Ein paar Schelme haben die Statue derart verziert, dass es anstössig wirken könnte. Die hier zu sehende Variante ist angemessen retuschiert worden.

(3) Die Statue von Simenon schaut nicht in die Richtung seines Geburtshauses, sondern, würde man eine Linie auf der Karte ziehen, in die Richtung des Kneipenviertels von Lüttich – was irgendwie passen würde. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite, es handelt sich um die Rue Léopold 24 wurde der Schriftsteller geboren.

Rue Léopold 24

Eigentlich wäre er an einem 13. geboren worden, hatte Simenon behauptet, aber seine Mutter hätte darauf bestanden, das Datum vorzuverlegen. Das könnte Unglück bringen. Im Erdgeschoss befand sich damals nicht ein Friseur, wie im Jahre 2003, oder ein Modegeschäft wie heute – sondern ein Hutgeschäft. Im Stockwerk darüber wurden die ersten Schreie des kleinen Sim vernommen.

Die Brücke

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(4) Outremeuse ist ein ehemaliges Arbeiterviertel, welches auf einer Insel in der Maas liegt. Simenon wuchs hier auf und prägte sein Werk. Bezüge zu diesem Viertel und auch zu seiner Kindheit lassen sich in den verschiedensten Werken herstellen. Da wären sowohl die autobiografischen Werke wie »Stammbaum«, aber auch »Der rote Esel« oder »Das ungesühnte Verbrechen«. Um das Viertel zu betreten, gehen Sie über die Brücke Pont des Arches, welche Simenons ersten veröffentlichten Roman seinen Titel geben sollte.

Sie verbindet die Innenstadt mit der Insel und deshalb wird sie Simenon oft gequert haben. Das Bild der Brücke, wie es Simenon beim Schreiben vor Augen gehabt hatte, wird sich nicht in dem wiederfinden lassen, was wir heute sehen. Die Brücke wurde zweimal im letzten Jahrhundert zerstört, beide Male zu Lebzeiten von Simenon.

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(5) Im Sommer mag der Platz Place de l'Yser schöne Abkühlung spenden. Zu Simenons Jugendtagen – damals hieß er Place de Bavière – war er lichter bepflanzt, denn er war gerade erst frisch angelegt worden. Der kleine Simenon konnte jeden zweiten Sonntag zuschauen, wie sein Vater mit den sogenannten Sonntagssoldaten auf dem Platz exerzierte. Dieser war Mitglied der Bürgerwehr »Les soldats du dimanche«.

Kampfplatz war es auch für Simenon. Er war durch seinen Wohnort einer Pfarre zugeordnet und die Jungs der beiden benachbarten Pfarren Saint-Pholien und Saint-Nicolas bekriegten sich auf dem Platz.

Genau genommen reicht es, dass Sie den Platz zur Kenntnis nehmen und nur von der gegenüberliegenden Straßenseite anschauen. So schön, wie er sein könnte, ist dieser Ort nicht. Aber damit passt er wahrscheinlich gut zu der Kirche, die auch nicht zu den schönsten der Gegend gehört.

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(6) Unzweifelhaft ist es aber eine der bekanntesten Kirchen im Simenon-Universum. Schließlich ist sie Teil des Namens eines Maigret-Romans[MGSP] und ist verbunden mit der Geschichte »Die Verbrechen meiner Freunde«[RDVMF]: Saint-Pholien. Eine erste Kirche wurde schon im 12. Jahrhundert an diesem Platz errichtet, ihr folgten dann weitere. Die Kirche, die wir jetzt sehen, wurde erst 1914 im neugotischen Stil nach Entwürfen des Architekten Edmond Jamar errichtet, der unter anderem auch die »Grand Poste de Liège« entwarf – die diesen Zweck heute nicht mehr erfüllt.

Wer nun meint, dass die Kirche nicht gerade hübsch ist, der ist vielleicht irritiert, wenn er hört, was Jef Lombard zu der Kirche zu sagen hatte. Maigret hatte entdeckt, dass ein Gotteshaus wie auch Gehängte viele seiner Zeichnungen prägten. 

»Ist das eine Lütticher Kirche?«
Jef antwortete nicht sogleich. Schließlich sagte er fast widerwillig:
»Die gibt es seit sieben Jahren nicht mehr. Sie haben sie abgerissen und eine neue gebaut. Die alte hatte keinerlei Stil, aber sie war sehr alt, und es lag etwas Geheimnisvolles in ihren Linien und auch in den Gassen rundherum, die heute alle weg sind.«
»Wie hieß die Kirche?«
»Saint-Pholien. Die neue heißt auch so.«

Wird damit nicht die Frage aufgeworfen, wie hässlich dann wohl die Alte gewesen war? Ästhetische Kriterien waren es nicht, weshalb sie weichen musste. Vielmehr wurde das Viertel umgestaltet und die Kirche im Weg. Ursächlich waren nicht den Boulevards, wie man sich denken könnte. Bei der Entstehung dieser, rund vierzig Jahre zuvor, hatte man die Kirche integriert.

Gegenüber der Kirche am Boulevard de la Constitution befindet sich ein wirklich hübsches Café mit dem Namen »Toussaint 1er«, welches auch schon zu Zeiten von Simenon existiert haben dürfte. Vermutlich war es dem jungen Simenon ein wenig zu bieder, aber es dürfte den Geschmack seiner Eltern getroffen haben.

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(7) Der nächste Halt hat nur sehr indirekt mit Simenon zu tun: Wirklich erstaunlich ist, dass es die Buchhandlung schon gefühlt seit einer Ewigkeit gibt  und sie den Namen Maigret im Namen tragen darf. Dafür gibt es aber auch eine wirklich sehr ausgeprägte Simenon-Ecke, in der der Freund französischsprachiger Primär- und Sekundärliteratur fündig wird. Die meisten Titel, die hier in Bezug auf Simenon zu finden sind, sind antiquarischer Natur.

Und dafür, dass das so bleibt, wird darum gebeten, nicht nur die Auslage zu bewundern, sondern sich auch in das Innere zu der Simenon-Ecke zu begeben. Die Buchhandlung »A L'Enseigne du Commissaire Maigret« kann nicht verfehlt werden und es gibt immer ein Schätzchen zu finden, das Sie einsacken können.

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(8) Es sind nur ein paar Schritte, dann sind wir schon an der nächsten Station. Es handelt sich um die Rue des Écoliers Nummer 13. In einer kleinen Sackgasse, die sich hinter einer Tür verbirgt, lag die Schreinerei, in der sich die Gruppe La Caque traf. Das Karten-Material der »Großen« zeigt es gar nicht mehr an, aber auf OpenStreetMap ist die Gasse und damit der Zugang zur Nummer 11 gut zu sehen. Im Saint-Pholien-Roman hatte sich Maigret übrigens nach der Hausnummer 7 erkundigt und wurde in diese Sackgasse verwiesen. Das Hausnummer mit dieser Nummer hat allerdings diese Sackgasse nicht, Simenon hatte ein paar »Anpassungen« vorgenommen. Das Wissen hilft allerdings nicht viel, denn die Tür, die sich heute dort befindet, versperrt den Zugang und so bleibt nur das Schild, welches daran erinnert. 

Übrigens wurden wir, was die Ekstase betraf, immer anspruchsvoller; wir brauchten ein ganzes Zubehör, und so gründeten wir eines schönen Tages die »Caque«, das »Heringsfass«.
Hinter der Kirche von Saint-Pholien, in einem verfallenen Haus am Ende eines von kleinen Handwerkern bevölkerten Hofs, befand sich ein Kabuff, das einmal einem Tischler als Werkstatt gedient hatte und das wir für dreißig oder vierzig Franc im Monat mieteten.[RDVMF]
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(9) Mit dem nächsten Halt ist es nicht weniger kompliziert. Auch hier sind es nur wenige Schritte und das in der gleichen Straße. In der Nummer 35 hing früher ein Schild des Nachtlokals »Zum Roten Esel« (»L'Âne Route«). Dieses Lokal eröffnete dort 1972 und lehnte sich an ein gleichnamiges Nachtlokal, dass zu Simenons Lüttich-Zeiten in der Rue Sur-la-Fontaine existiert hatte. Bei unserem ersten Simenon-Spaziergang 2003 war das Lokal schon nicht mehr vorhanden, das Schild hing aber noch. Zwanzig Jahre später ist aber auch das Schild nicht mehr zu finden, sondern nur noch die Halterung für dieses – insofern ist dieser neunte Halt sehr fragwürdiger Natur. 

Der autobiografische Roman, den Simenon geschrieben hatte und der den Namen dieser Bar trug, spielt allerdings nicht in Lüttich sondern in Nantes – ein zusätzlicher Minus-Punkt für diesen Stopp. Allerdings wird die Bar auch in »Die Verbrechen meiner Freunde«[RDVMF] erwähnt:

Eines Abends führte Deblauwe mich einmal nicht in den Puff, wo er keine kommerziellen Interessen mehr hatte, sondern in den Roten Esel, wo sich mir eine neue, völlig unbekannte Welt auftat. Der Rote Esel lag in einer schmutzigen Gasse zwischen zwei großen Straßen und war ein Kabarett im Stil von Montmartre, mit Totenköpfen an den Wänden und Karikaturen berühmter Männer und Chansonniers, Tischen und Bänken im rustikalen Stil; die Tänzerinnen waren aus Paris, verdienten zwanzig Franc am Tag und wohnten im Haus.
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(10) Wann in seinem Leben hatte Simenon zu Pferden gefunden? Er war ein passionierter Reiter, schließlich nahm er nach Amerika seine Reiteruniform mit und von Ausritten ist in seinen Memoiren ebenfalls die Rede. So ist die Frage berechtigt. Viele, wenn nicht die meisten, machen sich in ihrer Kindheit mit den Tieren vertraut und lernen sie schätzen. Bei Simenon geschah das ein wenig später. Er ließ sich zur Armee einziehen und war dann in der Kaserne stationiert, die sich am Boulevard de la Constitution befand – also wirklich ganz nah zu Hause. Dort wurden ihm nicht, wie er es vielleicht erwartet hatte, Tätigkeiten in der Schreibstube anvertraut. Er hatte seinen Dienst als Stallknecht zu verrichten.

Von der Armee ist heute an der Stelle nichts mehr zu sehen. Auf dem Gelände befindet sich heute die Kunsthochschule Saint-Luc. Der Zutritt ist, glaubt man den Schildern, für Unbefugte nicht zugelassen. Das heißt aber nicht, dass man nicht einmal einen Blick dahin riskieren könnte, wo Simenon seine Schuhe gewienert und Pferde gestriegelt hatte.

Simenon ließ sich vom Schreiben in dieser Zeit nicht abbringen. Er versorgte die »Gazette de Liége« weiterhin mit seinen Stücken. Die Tatsache, dass er die Armee kritisierte, fand indes wenig Anklang bei seinen Vorgesetzten. Der junge Journalist wurde dringend von seinen Vorgesetzten ermahnt. Spätestens zu dem Zeitpunkt hatte Simenon verstanden, wie das mit dem Herr funktioniert.

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(11) An der Kreuzung Boulevard de la Constitution/Rue des Bonnes Villes blickt man auf das Hôpital de Bavière – wobei eine wichtige Information fehlt: Es ist kein Krankenhaus mehr. Die 1606 eröffnete Institution prägte die Sprache der Stadt. Wenn jemand sagte, er würde in Bavière gehen, wollte er ins Krankenhaus gehen. Anfang der achtziger Jahre wurde klar, dass man die bestehenden Gebäude nicht mehr so modernisieren konnte, dass sie dem modernen Gegebenheiten entsprachen. In Lüttich wurden zwei neue Krankenhäuser gegründet und das alte Krankenhaus wurde aufgegeben. Übrig geblieben sind der Eingangsbereich, der aber auch nach vielen Jahren immer noch nicht renoviert worden ist. Schlimmer noch, ein Brand verwüstete 2017 den Eingangsbereich.

Als sich ihr Leben dem Ende näherte, lag Henriette Simenon in dem Krankenhaus und wurde dort von ihrem Sohn besucht.

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(12) Dem Krankenhaus schließt sich die Kapelle an. In der Kapelle des Krankenhauses leistete der junge Simenon seine Ministranten-Dienste. In dem auf Deutsch bisher nicht erschienenen »Je suis resté un enfant de chœur« aus dem Jahr 1979 schilderte er seinen Weg zum Ministrantendienst. Gerade im Herbst und Winter noch im Dunkeln, hatte es der Junge sehr eilig, zum Krankenhaus zu kommen – er fürchtete sich »vor den Schatten, und den Torbögen«.

Von außen betrachtet macht die Kapelle einen traurigen Eindruck. Wer einen Eindruck bekommen will, wie sie von innen ausgesehen hat (und vielleicht ja auch sieht), der findet ein Foto in der Broschüre der Simenon-Tour der Touristen-Information.

Die Spiel- und Lern-Ecke

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(13) Auf dem Platz, der 1880 entstand, befindet sich eine Büste von Simenon. Die unmittelbare Nähe der verschiedenen Wohn- und Schulorte machen die Wahl genauso verständlich wie die Tatsache, dass der ganz kleine Sim häufig auf dem Platz gespielt haben soll. In der französischen Wikipedia wird in der Beschreibung erwähnt, dass es sich um einen der angenehmsten Plätze in Lüttich handeln würde. Wenn dem so wäre – das ist wirklich schwer zu beurteilen – wäre das ein Armutszeugnis für die Stadt.

Der Simenon, der als Büste auf dem Platz steht und in Richtung seiner ehemaligen Schule schaut (verstellt durch Häuser), soll einmal eine Pfeife gehabt haben. Es gibt keine jüngeren Fotos, die das belegen – vermutlich wurde sie so oft gestohlen, dass die Stadt keine Versuche mehr unternimmt, der Büste das elementare Utensil zu verpassen. So sieht es von der Seite so aus, als hätte Simenon im Mundwinkel eine Fluppe hängen.

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(14) Früher war es die Rue Pasteur – aber ihrem berühmten Schriftsteller zu Ehren hatte die Stadt 1978 die Straße Simenon gewidmet. Die heutige Nummer 25 trug, als die Straße ihren alten Namen noch hatte, die Nummer 3 und in dieser lebte die Familie, als sie von der Innenstadt hierher zog. 

Das Haus selbst ist sehr schmal, womit es sich aber nicht von den anderen Häusern in Lüttich unterscheidet. Wenn man sich jedoch vorstellt, dass die Familie eine Wohnung im zweiten Stock gemietet hatte, kann man sich vorstellen, dass dort kein Platz für eine großartige Wohnlandschaft gewesen war.

Für den kleinen Simenon wäre es praktisch gewesen, denn zur Schule hätte er es wirklich nicht weit gehabt: Nur einmal kurz über die Straße hüpfen und er konnte Zahlen und Buchstaben studieren.

Aber von hieraus sollte der Schulbesuch nicht erfolgen: Ein Jahr nach der Geburt des zweiten Sohnes – 1907 – wurde es für die Familie zu eng in der Wohnung und man zog in eine neue Bleibe.

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(15) Der Auszug der Simenons aus der Wohnung in der Rue Pasteur war keine Verschlechterung. Statt einer Etagenwohnung hatte die Familie ein ganzes Haus gemietet und da sich die Schule direkt gegenüber befand, war es auch kein weiterer Weg für den Jungen. Die Schule Saint-André (Rue de la Loi 48) ist nicht zu verfehlen, sobald Sie in die Straße eingetreten sind, und befand sich unmittelbar gegenüber der Hausnummer 53, in dem sich die Familie Simenon eingemietet hatte.

Der Vater Simenons, Désiré, war nicht so erpicht auf den Wechsel. Es war die Mutter, die den Drang hatte, sich zu verändern und damit auch zu verbessern. Henriette startete ein neues Business, in dem sie Zimmer in dem Haus untervermietete. Nun war es um das gemütliche Leben des Vaters geschehen, denn er hatte sich dem Geschäft seiner Frau unterzuordnen. Mochte er vorher ein Vorrecht auf den besten Platz gehabt haben und umsorgt worden sein, so war das nun keine Selbstverständlichkeit mehr: An erster Stelle standen von nun an die zahlenden Gäste.

(16|17) Folgen Sie dem Weg und gehen über die Kreuzung befinden Sie sich in der der Rue de l'Enseignement. Aus der Richtung kommend befindet sich auf der linken Seite die Hausnummer 5, in der die Mutter Simenons bis 1968 lebte. In dem Haus lebte Henriette mit ihrem zweiten Ehemann. Die Beziehung der beiden, die Atmosphäre, die Simenon in dem Haus vorfand, soll der Schriftsteller in dem Roman »Die Katze« verarbeitet haben. Seine Mutter las alle Werke des Sohnes und konnte sich sehr wohl einen Reim darauf machen, was in der Geschichte erzählt wurde. Das mochte auch der Auslöser gewesen sein, dass Henriette das Geld, das ihr ihr Sohn über die vielen Jahre geschickt hatte, nahm und ihm zurückgab.

Direkt gegenüber befand sich die Kesselschmiede Velden. Désiré ging hier jeden Freitag Abend Whist spielen, ein Kartenspiel für vier Personen, welches als Vorläufer von Bridge gilt.

Rue de l'Enseignement

Ein paar Häuser weiter – in der Hausnummer 29 – befand sich das dritte Wohnhaus der Familie Simenon. In diesem Haus entstand der erste Roman von Simenon, der nach der Brücke »Pont des Arches«, über die wir Outremeuse betreten haben, benannt wurde.

Um zum nächsten Haltepunkt zu gelangen, kehren Sie um und biegen in die Rue Jean d'Outremeuse nach links ein.

(18) Auf der rechten Seite der Straße befindet sich an der Hausnummer 57 die Schule »Notre-Damme«, in der Georges Simenon das Lesen lernte.

(19) Es sind dann noch ein paar Schritte zu gehen, bevor wir nach rechts in die Rue Puits-en-Sock einbiegen. Dort, vor dem Geschäft in der Nummer 58, können wir kurz stehenbleiben. Hier befand sich das Hutgeschäft von Chrétien Simenon. Es wäre schön gewesen, wenn sich sagen ließe, dass der derzeitige Geschäftsinhaber dieser Profession treu geblieben wäre. Aber, da müssen wir ehrlich sein, das wäre ein ganz großer Zufall gewesen. Statt dessen befindet sich heute ein Tee-Salon in dem Laden und, ganz ehrlich, man könnte auch über Übleres berichten müssen. 

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(20) Auf der rechten Seite der Straße kann man in einen Durchgang einbiegen und steht damit in der Rue Beauregard, was schon ganz interessant ist, aber linker Hand ergibt sich kurz hinter dem ehemaligen Geschäft von Simenons Großvater die Möglichkeit in die Rue Roture abzubiegen. Plötzlich steht man einer ganz reizenden Umgebung mit alten Häusern und einer Reihe von Restaurants und Kneipen. Eine sehr kurze und sehenswerte Straße in der Mitte von Outremeuse, die als typischste Straße des ehemaligen Arbeiterviertels galt.

(21) Die Gottesdienst folgte die Familie Simenon, insbesondere die Mutter Henriette, nicht in der Kapelle, die zum Krankenhaus gehörte, und auch nicht in Saint-Pholien. Sie gehörten zur Pfarre Saint-Nicolas und dort hatte die Familie Simenon ihre festen Plätze in der letzten Reihe auf der rechten Seite. Daneben ist eine Jugendherge zu finden, die seit 1998 den Namen von Georges Simenon trägt.

Mit diesem Stopp endet der Rundgang auf den Spuren von Simenon. Eigentlich gehört auch ein Abstecher auf die andere Seite dazu, denn im Carré genannten Viertel befindet sich die Straße Rue du Pot d'Or, in der sich ja bekanntlich …