Viele glauben die Wahrheit über Maigret zu wissen, allen voran die Journalisten, die die Fälle von Maigret auf Schritt und Tritt begleitet haben, das Vorgehen des Kommissar jeder Zeit kritisch kommentiert haben. Die ganze Wahrheit kann aber nur einer erzählen: der Kommissar. Was sind die ganzen Romane und Erzählungen wert, wenn Simenon ungenau und schluderig gearbeitet hat und wichtige Einzelheiten aus dem Leben des Kommissars immer wieder verwechselt hat. Kommissar Maigret schafft endlich Klarheit.
Die Scheidung von Tigy war erst vor kurzer Zeit rechtsgültig geworden. Simenons finanzieller Spielraum war durch die mit seiner Ex-Frau geschlossenen Vereinbarungen eingeengt. Er selbst schreibt, dass er zu dem Zeitpunkt beinahe mittellos gewesen sei. Bevor die Leser:innen sich zu viele Sorgen machen: Hätte er gejammert, was er nicht tat, wäre das Jammern auf sehr hohem Niveau gewesen.
Zu den Dingen, die ich persönlich als großes Pech bezeichnen würde, gehörte mein plötzliches Ableben am Tag vor meinem Geburtstag. Schließlich hätte meine liebe Frau alle Geschenke gekauft und der Geburtstagstisch wäre gewiss präpariert. Würde sie mich in dem Augenblick einen undankbaren Kerl schimpfen, ich hätte großes Verständnis für sie.
In die Kategorie »Raffinierte Fälle« passt dieses Hörspiel so gar nicht, denn es wird kein Verbrechen aufgeklärt. Hier geht es darum, dass der Monsieur Maigret einige Dinge gerade rücken möchte, die Simenon über die Jahre in einem falschen Licht darstellte. Er war im Ruhestand und hatte die Zeit, endlich ein paar Lücken in der Bio zu schließen.
Monsieur Vidocq hatte ein fotografisches Gedächtnis. Wen er einmal gesehen hatte, an den erinnerte er sich. Das sollte sich als Fluch für Verbrecher herausstellen, die ab den 1810er-Jahren ihr Handwerk in Paris betreiben wollten. Denn Vidocq war einen der Ihren gewesen und hatte die Seiten gewechselt. Jedoch hatten die wenigsten seiner Mitarbeiter die gleiche Fähigkeit.
Die Figur des Vautrin, der in Balzacs »Menschlicher Komödie« auftritt, war dem damals sehr bekannten Eugène François Vidocq nachempfunden. Zeitgenossen des Schriftstellers wie Victor Hugo und Alexandre Dumas taten es Balzac gleich und bedienten sich. Als Vidocq seine ersten Memoiren veröffentlichen wollte, waren sie es, die ihn zur Ausführlichkeit drängten.
Was geschieht hier? Der Autor S. erweckt seine Figur M. zum Leben und lässt sie ihr Leben erzählen, wobei M. auch das, was S. erzählt, wiedererzählt und so sich selbst begegnet: Wie auf einer Fotografie erkennt er sich, und erkennt sich doch nicht ganz.
Konkrete Politik spielt im Werk von Simenon so gut wie keine Rolle. Politiker als Typus tauchen immer mal wieder auf, man weiß jedoch nicht, wofür sie stehen oder was sie politisch wollen – das spielt keine Rolle. Was zeichnet sie dann aus? Im Falle Maigrets geht es meist um einen Gefallen, der erledigt werden soll, oder um die Beruhigung der Öffentlichkeit, damit die Popularität der Regierung oder des Politikers nicht leidet.
Die Suchfunktion der Webseite wie auch das Internet bewahren mich normalerweise davor, mich zu wiederholen. Wenn ich also einen Begriff finde, der in mir den Verdacht erregt, er wäre aus der Zeit gefallen, dann schlage ich nach. Bei dem oben genannten Begriff hätte ich geschworen, dass ich den schon mal erwähnt habe – aber es findet sich hier keine Spur. Nun ist er mir ein zweites Mal untergekommen, also wird es Zeit.
Gestern bekam ich mit, dass es im Herbst neue Hörbücher geben wird, herausgegeben von DAV. Nun bin ich zwar ein Vertreter der Fraktion »Form folgt Inhalt«, aber eine sekundäre Tugend ist es schon, wenn eine Sache ästhetisch ansprechend gestaltet. So habe ich die Cover, der kommenden Hörbücher auch interessiert betrachtet. Den Schriftzug von »Maigret« fand ich sehr gelungen. Dann sah ich das eine Bild.
Wer mal wieder Simenon-Geschichten vorgelesen bekommen möchte, wird im Herbst voll auf seine Kosten kommen. Ende Oktober bringt Der Audio-Verlag (DAV) zwölf Maigret-Geschichten heraus, die allesamt von Walter Kreye gelesen werden. Als hätte man mit den 33 CDs nicht schon genügend zu tun, gesellen sich noch einmal 21 Compact Discs mit Non-Maigret-Stoff dazu. Spielt da die 2-CD-Zugabe biographischer Natur noch eine Rolle?